„Inszenier’ die Musik, vergiss das Libretto“
Schauspieler und Regisseur Nicolas Brieger widmet sich Mozarts „Così fan tutte“.
Düsseldorf. Mozarts Musikdramaturgie ist einzigartig, meint Theater- und Opernregisseur Nicolas Brieger. An der Rheinoper zeigt er seine Version von „Così fan tutte“. Am Samstag ist die Premiere.
Herr Brieger, „Così fan tutte“ ist ein Klassiker. Lassen sich überhaupt noch neue Aspekte herausarbeiten?
Nicolas Brieger: Genau diese Frage hat mich beschäftigt: Was willst du mit dieser Sex-Burleske noch machen, die auch schon zu Mozarts und Lorenzo Da Pontes Zeiten inhaltlich keine Neuerung brachte?
Und wie lautet die Antwort?
Brieger: Der Moment, wo ich sagte „Ich will das machen“, kam, als mir die Diskrepanz zwischen Libretto und Musik auffiel. Beim „Figaro“ und „Don Giovanni“ existieren Wort und Ton symbiotisch. Doch bei der „Così“ klafft es auseinander. Also beschloss ich: „Inszenier’ die Musik, vergiss das Libretto!“
Wie darf man sich das vorstellen?
Brieger: Der Librettist Da Ponte hat ja eine gut gemachte Verwechslungskomödie geschrieben. Aber sie steckt voller Unwahrscheinlichkeiten, zum Beispiel der, dass Fiordiligi und Dorabella ihre verkleideten Liebhaber nicht wiedererkennen. Mozarts Musik jedoch erzählt etwas ganz Anderes. Sie schildert ein Paar, das sich in verschiedene Persönlichkeiten aufspaltet, um das Abenteuer zu erleben, in fremde Identitäten zu schlüpfen. Genau das will ich auf der Bühne zeigen. Man wird mit den Augen hören.
Sie haben schon viel Mozart inszeniert. Was fasziniert Sie an seinen Opern im Allgemeinen und an der „Così“ im Besonderen?
Brieger: Mozart war eigentlich kein Neuerer wie Haydn zum Beispiel. „Ich war ein guter Nachahmer“, hat er seinem Vater einmal gesagt. Aber Mozart ist einzigartig darin, Musik in Dramatik umzusetzen. In seinem Verständnis für dramatische Phänomene ist er nur noch zu vergleichen mit Shakespeare. Dass in der „Così“ beim Abschieds-Terzett der emotional eigentlich gar nicht betroffene Don Alfonso mitsingt, gehört zum Phänomen der Lüge im Gefühl. Das ist das Geniale, kein Kitsch, sondern großes Drama.
Opern-Regisseur wurden Sie relativ spät. War die Leidenschaft fürs Musiktheater trotzdem schon lange vorhanden?
Brieger: Ich war früher mal Jazzer, so spielte Musik für mich immer eine Rolle. Die Oper habe ich aber in jungen Jahren gehasst. Wenn ich damals in Berlin ins Theater des Westens ging, konnte ich dieser Kunst nichts abgewinnen. Ein Schlüsselerlebnis war dann aber später Götz Friedrichs Inszenierung des „Don Quichotte“ von Jules Massenet an der Komischen Oper. Danach entdeckte ich für mich noch Puccinis „Tosca“.
Was haben die Erlebnisse bewirkt?
Brieger: Mir ging auf, dass die Musik im Theater keine Verkleinerung der Handlung bedeutet, sondern eine Bereicherung. Seitdem inszeniere ich Opern.