Nach der Lektüre Ihres Romans ertappe ich mich dabei, dass ich nach potenziellen Kandidaten für Ronald Papens Markisen Ausschau halte.
Lesung mit Jan Weiler „Der Anblick des Rheins ist für mich jedes Mal etwas ganz Besonderes“
Düsseldorf · Der Schriftsteller war mit seinem neuen Roman „Der Markisenmann“ in seiner Heimatstadt Düsseldorf zu Gast.
Jan Weiler hat gut zu tun. Gerade ist er auf Lesereise mit seinem Roman „Der Markisenmann“, den er jetzt in der Mayerschen-Droste-Buchhandlung an der Kö vorstellte. Nur eine Woche später, am 14. April, kommt der neue Film von Sönke Wortmann „Eingeschlossene Gesellschaft“ in die Kinos, für den der gebürtige Düsseldorfer das Drehbuch schrieb.
Jan Weiler: Da geht es mir wie Ihnen. Ich gucke immer, ob noch irgendwo bestückt werden kann. Kleiner Tipp: In Garath geht noch was.
Was inspiriert Sie mehr, Situationen oder Menschen?
Weiler: Ich denke, es sind eher Situationen, die immer mit Menschen verbunden sind. Häufig sehe oder erlebe ich Dinge und denke, das kann ich vielleicht mal für eine Geschichte gebrauchen.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
Weiler: Im Buch gibt es diesen Typen mit dem tätowierten Gehirn auf dem Schädel, „Ronald der Schlächter“. Den habe ich tatsächlich tagelang bei mir vor der Haustür gehabt. Ein Straßenbauarbeiter, dem ich immer von oben aus dem Fenster auf den Kopf geschaut habe. Jetzt ist schwer zu sagen, war es die Situation oder der Typ?
Sie hätten ihn auch „The Brain“ nennen können.
Weiler: Stimmt. Das hätte nahe gelegen.
In Ihrem „Markisenmann“ finden sich Sätze wie: „Das gemeinsame Schweigen als Kulturtechnik des sozialen Austauschs schien hier in der Gegend sehr verbreitet zu sein.“ Wie lange feilen Sie an solchen Sätzen, oder fliegen die Ihnen während des Schreibens zu?
Weiler: Es geht immer darum, einen Gedanken so auszudrücken, dass man Spaß beim Lesen hat. Irgendwann habe ich den Sound für so ein Buch gefunden und lege den Figuren solche Sätze in den Mund. Die fallen mir dann eher zu. Weil ich einfach weiß, dass ich diese Art Sätze gerade benötige.
Warum haben Sie als Hauptschauplatz Ihres Buches ein trostloses Industriegebiet im Duisburger Hafen gewählt?
Weiler: Ronald Papen lebt genau da, weil dort fünf Millionen potenzielle Kunden für seine Markisen wohnen. Was ich da schildere, ist weniger eine regionale, sondern mehr eine soziale Typologie. Natürlich hätte ich auch einen anderen Ort wählen können. Als jemand, der aus Düsseldorf kommt, bot es sich einfach an, weil ich die Gegend kenne. Zu Berlin hätte ich zum Beispiel nicht so eine Beziehung wie zum Ruhrgebiet.
Was macht Jan Weiler, wenn er Zeit hat und in seine Geburtsstadt Düsseldorf kommt?
Weiler: Ich muss immer zuerst den Rhein begrüßen, egal wieviel Zeit ich habe. Das fanden meine Kinder früher, wenn wir mit dem Auto über die Brücke in die Stadt reingefahren sind, fürchterlich. Aber für mich ist der Anblick des Rheins jedes Mal etwas ganz Besonderes.
Sie haben mal gesagt, dass Sie nur über Figuren schreiben können, wenn Sie sich auch in sie hineinfühlen können. Warum ist es diesmal eine Frau Anfang Dreißig geworden, die sich an einen Sommer als Teenager erinnert?
Weiler: Ich habe das Buch für meine Tochter geschrieben. Die hat sich mit 13 gewünscht, dass ich mal etwas nur für sie schreiben soll. Das ist zwar inzwischen zehn Jahre her. Aber als ich mit dem Schreiben begann, lag es nahe, die Geschichte als Vater-Tochter-Beziehung zu erzählen. Ich fand ihre Sicht viel reizvoller als die des Vaters, weil sie sich während des Romans entwickelt.
Einige Ihrer Bücher sind für Fernsehen und Kino verfilmt worden. Fällt es Ihnen schwer, sich von Ihrem Werk zu verabschieden und es in andere Hände zu geben, wie Sönke Wortmann zum Beispiel?
Weiler: Es ist immer eine Gratwanderung. Natürlich könnte ich sagen, ich gebe es ab und habe danach nie wieder etwas damit zu tun. Das liegt mir aber nicht so. Ich habe immer eine starke Beziehung zu den Figuren und bin dann darauf angewiesen, es mit Leuten zu tun zu haben, die das ernst nehmen. Leider ist das nur selten der Fall. Man muss akzeptieren, dass daraus etwas Eigenständiges wird. Das ist oft nicht angenehm und geht noch häufiger in die Hose. Mit Sönke Wortmann habe ich die positive Erfahrung gemacht, dass seine Version von „Eingeschlossene Gesellschaft“ genauso geworden ist, wie ich es mir gewünscht habe.