Kabarett: Der Trainer der Aufmüpfigen
Jens Neutag präsentiert im Kom(m)ödchen sein neues Programm "Streik ist geil".
Düsseldorf. Er ist faul geworden, der Deutsche. Obwohl faul der falsche Begriff ist. Bequem trifft’s eher. Oder unbeteiligt. Auf jeden Fall einfach nicht mehr hier, im wahren Leben.
Woran das zu merken ist? An der fehlenden Gegenwehr, dem Geschehenlassen, was uns die Politik, das Fernsehen und der Bankberater nur "zu unserem Besten" verkaufen wollen.
Die größte Leistung derer, die uns regieren, ist, dass sie uns das Rebellieren abgewöhnt haben. Wer auf konstitutionell verbriefte Bürgerrechte zurückgreift, etwa auf den Streik, gilt als gestrig, humorlos.
Sicher, der Deutsche an sich ist nicht das Paradebeispiel der Aufsässigkeit. Etwas mehr Wille zum Widerstand dürfte aber schon sein. Jens Neutag, einer dieser Idealisten, fordert ihn bei seinem Publikum ein, den unkontrollierten Ungehorsam.
Wie befreiend so ein Tag sein könnte, wenn man mal alles rauslassen würde, was einen stört. Wenn man beispielsweise beim Formatradioquassler anrufen würde, um ihn ordentlich zusammenzustauchen für seine Bandwurmphrasen.
Oder der Politesse amtlich die Meinung geigt, bevor der Nachbar einen Einlauf bekommt, weil er seine Töle ihr Geschäft schon wieder im Hausflur hat verrichten lassen. Befreiend müsste das sein. Man macht es nur leider nicht. Weil man nicht mehr weiß, wie das so geht.
Neutag hat da quasi eine Geschäftsidee aufgetan. Er betätigt sich in seinem Programm "Streik ist geil" als Aufmüpfigencoach, macht das Publikum, das am Donnerstag ins Kom(m)ödchen gekommen war, bereit für den Aufstand - zur Sitzblockade.
Denn, das will der Herr auf der Bühne nicht verhehlen, auch ihm geht das Gen zur Revolte irgendwie ab. In seiner Küche hängt ein Abfallkalender, nach dessen strengem Diktat er den Müll trennt. Und für den anarchistischen Aufruhr, den er plant, sucht er sich erstmal einen Schriftführer. Typisch deutsch.
Die Idiotie des Volkes, insbesondere seine Unfähigkeit, sich über essentielle Dinge aufzuregen, bebildert Neutag treffend mit unserem Hang zum Kleinklein.
Über die fragwürdigen Zusatzstoffe eines Fruchtjogurts wundert sich niemand. Wenn aber nach 40 Jahren das Packungsgesicht der Kinderschokolade verjüngt wird, darüber können sich die Deutschen ereifern, oh ja! Sogar so sehr, dass sie zu 80000 eine Internetpetition unterzeichnen, die die frühere Grinsebacke zurückfordert.
Bei diesen Abnormitäten zu bleiben und sie gemächlicher auszuschlachten, dazu fehlt Neutag die Ruhe.
Immer wieder kommt er auf die üblichen Verdächtigen, die Merkels, die Münteferings und die Westerwelles, die als Feindbilder leicht abgegriffen sind. Gegen die streiken? Wozu? Die bestreiken sich schon selbst!
Wenn der 36-Jährige dann allerdings darüber schimpft, dass pubertierende Handymädchen das Konterfei Che Guevaras auf ihrem Shirt tragen, obwohl sie nicht mal wissen, wie man Revolution buchstabiert, fördert er den ganzen Irrsinn zutage, der uns lähmt.
Weitere Aufführung: 22. November, 20 Uhr, Kom(m)ödchen, Karten unter der Telefonnummer 0211/329443.