Kennedy in seinem Element

Der Stargeiger Nigel Kennedy mit neuer Version von Vivaldis „Vier Jahreszeiten“.

Düsseldorf. Bei Nigel Kennedy ist immer alles etwas bunter. Das Podium der Tonhalle glitzert im Sternenhimmel-Design und erstrahlt in farbigem Scheinwerferlicht. Der britische Stargeiger mit seiner markanten Haartolle, der mal wieder in rauen und reich mit Nieten geschmückten Lederklamotten auftritt, pfeift auf konventionelle Konzertrituale: In einem Frack hat man ihn seit Jahrzehnten nicht gesehen. Er hat es halt gerne locker. Dazu passt, dass er noch eine Kaffee- (Vielleicht auch Tee-Tasse) in der Hand hält, als er seine Bühne betritt. Er plaudert mit dem Publikum und seinen Musikern des Orchestra of Life und nimmt noch gemütlich die letzten vier, fünf Schlucke. Aber dann geht es musikalisch kräftig zur Sache.

Die mythischen Elemente Luft, Erde, Wasser und Feuer haben es Nigel Kennedy in diesem Jahr wohl angetan. Von ihrem Zauber inspiriert, komponiert der Brite neue Werke für Violine, Orchester und elektrische Instrumente. Heraus kommt eine Mischung aus Klassik, Folk und Pop, die leicht ins Ohr geht. Kennedy hat aber vor allem eine neue Version der „Vier Jahreszeiten“ von Antonio Vivaldi arrangiert, jenem Zyklus barocker Violinkonzerte, mit deren virtuoser CD-Einspielung (EMI) er 1989 über Nacht weltberühmt wurde.

Kennedys Modernisierung und Geigenspiel bewegen sich auf einem Feld zwischen Genialität und Klamauk. Ja, der Mittfünfziger mit dem jungenhaften Habitus zeigt, dass er immer noch zu den großen Geigern unserer Zeit gehört, auch wenn er das klassische Repertoire in Reinform nicht mehr bedient. Sobald er aber eine Phrase aus einem langsamen Konzertsatz spielt, scheint die Zeit stehenzubleiben, im Saal hört man kaum mehr einen Atemzug, so suggestiv und beschwörend dringen die Töne aus Kennedys Violine.

Doch dann stampft der Klassik-Rebell auf wie ein renitentes Kind und fiedelt ein Presto so herb und derb herunter, dass man aus allen Wolken fällt. Hinzu kommen Beigaben wie mikrophonverstärktes Vokalquartett, Synthesizer und Schlagzeug und zerren das Barockwerk in die Klangwelten eines neueren Datums.

Das wirkt stellenweise frisch und knackig, übersüßt aber auch zuweilen die musikalische Substanz. Das Klangbild gleitet dann und wann ins Milchige und macht Kennedy allenfalls zu einem etwas frecheren James Last. Er greift auch gerne zu seiner E-Geige, die durch die Verstärkung mit einem Sound-System etwas lauter klingt als die edle Guarneri. Es mischt sich auch etwas künstlicher Hall in den Klang, was zwar einen einschmeichelnden, aber auch etwas kitschigen Eindruck macht.

Leider spielt Kennedy nicht selten unter seinem Niveau: Gerade in den schnellen Passagen unterlaufen ihm falsche Töne und man fragt sich, warum dieser begnadete Musiker gar nicht mehr mit den großen Weltorchestern und Dirigenten auftritt. So unverwechselbar seine Performances auch sind, Violinkonzerte in Reinform würde man auch gern mal wieder mit ihm erleben.