Konzert: Der sanfte Held begeistert
Stehende Ovationen für den Tenor Jonas Kaufmann, der gestern in der ausverkauften Tonhalle gastierte.
Düsseldorf. Das fing ja heiter an: Dirigent Michael Güttler vergaß die Partitur zur ersten Arie, der Kerkerszene des Florestan aus Beethovens "Fidelio". Nun stand der Tenor Jonas Kaufmann da, während sich der Meister der Staatskapelle Weimar für 20 Sekunden entschuldigte, um die Noten aus dem Künstlerzimmer zu holen.
"Auch ich werde langsam vergesslich", wendet sich Kaufmann nun noch schnell ans Tonhallen-Publikum. Er selber habe die Noten sicherheitshalber gerne vor sich, und tatsächlich stand ihm zu Füßen ein kleiner Notenständer.
Als der Dirigent nun zurückkam, war die Stimmung hoffnungslos ausgelassen. Und jetzt musste eine hoffnungslos ernste musikalische Stimmung entstehen, denn die große Florestan-Arie gehört zum Düstersten in der klassischen Opernliteratur. Man fragte sich etwas bang, ob ein so schlagartiger Atmosphäre-Wechsel gelingen kann.
Und wie das klappte! Das Wort "Gott" des ersten Ausruf "Gott, welch Dunkel hier!" ließ Kaufmann extrem leise wie aus dem Nichts kommen und steigerte es in ein raumgreifendes Fortissimo, so herb und suggestiv, dass man als Hörer sogleich gefangen war in der Kerker-Welt des "Fidelio". Derart schnell in einer Rolle zu sein und einen vollen Saal gefangen zu nehmen, zeugt von besonderem Künstlertum.
Kaufmann gehört zu den wenigen deutschen Tenören von internationalem Renommee, und damit ist er einer der wenigen Muttersprachlern fürs deutsche Fach. Bei seiner kleinen Tournee, die ihn am 22. Oktober noch nach Baden-Baden führt, hat er ausschließlich deutschsprachiges Repertoire im Programm.
Neben Beethoven singt er Mozart, Carl Maria von Weber und Richard Wagner. Aus dem Lyrischen der Tamino-Arie "Dies Bildnis ist bezaubernd schön" aus Mozarts Zauberflöte scheint er bereits etwas herausgewachsen zu sein. Die Stimme wirkt dafür zu schwer und dunkel.
Geradezu ideal klingt Kaufmanns markantes Timbre in Webers "Freischütz". Die Verzweiflungs-Arie des Max gibt er mit der tief berührenden Mischung aus heldenhaftem Forte und melancholischer Empfindsamkeit.
Nach der Pause präsentierte sich Kaufmann als der neue große Wagner-Tenor: Sowohl für die Partie des Parsifal als auch des Lohengrin bringt er gleichermaßen ehernes Stimmmaterial und tiefes Rollenverständnis mit. Allein die Gralserzählung des Lohengrin rührte durch die Synthese aus Sanftheit und Kraft.
In den Zugaben zeigte Kaufmann, dass er auch mit Puccini, Bizet und Operette das Publikum zu stehenden Ovationen begeistern kann. Unterdessen sorgte die Weimarer Staatskapelle für den farbigsten Orchesterklang.