Konzert: Schwanengesang der Königin

Jessye Norman singt Jazz und Spirituals in der Tonhalle. Der Abend verbreitet leichte Melancholie und Abschiedsstimmung.

Düsseldorf. So animierend und suggestiv kann nur eine Primadonna wie Jessye Norman ins Publikum lächeln. Wo die Diva strahlt, ist der Nabel der Welt. So war es nun auch in der Tonhalle. Die Königin des klassischen Gesangs lächelte, und schon war man geneigt, ihr zu Füßen zu liegen. Ihr Hofstaat hatte sich aber auffallend rar gemacht. Besonders stark bevölkert war der Saal nämlich nicht, der Rang blieb gar komplett unbesetzt.

Das lag vielleicht am Programm. Jessye-Norman-Fans hören ja am liebsten klassisches Repertoire, Opernarien, Kunstlieder. Als Jazz- und Spiritual-Sängerin konnte sich die Amerikanerin noch nie so recht durchsetzen und hat dafür beim einschlägigen Publikum keinen Namen. Auch dürfte sich herumgesprochen haben, dass sich La Norman stimmlich nicht mehr ganz auf der Höhe ihrer großen Zeit befindet.

Der Abend verbreitete zuweilen etwas ungewollt Melancholisches. Jessye Norman, die übrigens bei weitem nicht mehr die Körperfülle vergangener Jahre besitzt, betritt und verlässt langsam und von ihrem Pianisten Mark Markham gestützt das Podium. Sobald sie aber ihre feste Position vor dem Flügel eingenommen hat, scheinen starke Lebensgeister zu erwachen, und die machtvolle Persönlichkeit baut sich eindrucksvoll auf. Jessye Norman beginnt mit einem ihrer Lieblings-Songs, "Somewhere" aus Leonard Bernsteins "West Side Story".

Ihre Darbietung besitzt mittlerweile etwas erhabene Brüchigkeit. Ihre Stimme besitzt aber immer noch die Pracht jugendlicher Jahre, Jessye Norman vermag sie in bestimmten Lagen so reich und luxuriös aufblühen zu lassen, dass alle heutigen Opernsternchen vor Neid erblassen müssten.

Allerdings kann die Sängerin ihre Naturstimme, die zu den schönsten gehört, die es jemals gab, nicht mehr vollkommen kontrollieren. Einige leise Stellen verlieren plötzlich an Klangfarbe, auch die Intonation scheint hie und da getrübt. In Momenten verströmt sie eine etwas bedrückende Atmosphäre von Abschied und Schwanengesang.

Gleichwohl haftet ihrer Darbietung nichts Zweitrangiges an. Eine grandiose Jessye Norman verblüht nicht zum Mittelmaß. Gershwins "Summertime" lässt den Saal andächtig verstummen. Die Diva Norman wiegt da in ihren Armen kein Baby, sondern eine ganze Welt. Anteil an den großen Momenten hat der Pianist Mark Markham mit seiner klangsinnlichen und rhythmisch ausgefeilten Begleitung.