Rundgang Kunstakademie Düsseldorf: Der Run auf die Avantgarde kann beginnen
In fantastischen Objekten, surrealen Räumen und meditativen Bildern zeigt die Jugend vom Eiskellerberg, wie sie sich die Zukunft der Kunst vorstellt.
Düsseldorf. Alexander Föllenz bereitete wochenlang seinen Abschluss in der Gursky-Klasse an der Kunstakademie Düsseldorf vor. Wo normalerweise eher die Flachware der Fotografie die Szene bestimmt, tackerte er Planen und klebte Stoffe, um den Unterbau zweier monströser Stehaufmännchen aus Bauschaum zu erzeugen. Gleichzeitig fotografierte er seinen Kopf, scannte ihn ein und vergrößerte ihn digital. Nun beherrschen zwei heldische Riesen mit wippendem Bauch den Raum, denn Föllenz gab ihnen auch noch runde Gefäße als Unterteile, die die Besucher anstoßen können. Das Ergebnis ist eine Hymne auf das Alter Ego. Am Dienstag machte er sein Diplom. Mittwoch gibt er zum Auftakt des Rundgangs seine Kunst der Öffentlichkeit preis. Der Run auf die junge Kunst kann beginnen.
Die Kunstakademie Düsseldorf ist begehrt, trotz all der Querelen in der Vergangenheit, als Rektorin Rita McBride ihren Kopf durchsetzen wollte. Unter dem neuen Dekan Marcel Odenbach wird Einheit geschworen und auf wichtige Berufungen gehofft. Die Studenten aber lernen an diesem Haus, das zu tun, was sie notgedrungen ein Leben lang tun müssen: selbst Ideen zu finden und sich Hilfe in großartigen Werkstätten zu holen. So zeigen über 700 Studenten (die Zahl wächst stetig) neben viel Biederkeit auch bravouröse Kunst. In manchen Klassen wurde wie besessen gearbeitet, denn jeder Jung-Künstler weiß, dass von Mittwoch bis Sonntag rund 45 000 neugierige Menschen ins Haus kommen. Eine einmalige Chance, entdeckt zu werden.
In der Klasse des neu berufenen Künstlerstars Gregor Schneider konnte man in den letzten Wochen lauter selbst ernannte Putzkolonnen beobachten. Die Studenten hatten Wandfarbe und Lacke aus der eigenen Tasche besorgt und die Flure vor ihren Räumen (3 bis 5) in neues Weiß getaucht, als wollten sie tabula rasa machen. Die Lampen sind heller, der Boden ist abgezogen. Klinisch rein soll es sein, damit sich die Kunst besser abhebt.
Das ist nicht alles, denn im Eingangsbereich sorgt Ji Hyung Song für einen bislang unbekannten Altruismus. Sie sammelte Arbeiten von Kollegen, die sie geschenkt bekam und die die Besucher ab Mittwochmittag gegen ihre Objekte eintauschen können. Geld ist jedoch verpönt. Die Kunstgänger sollen eine ganz persönliche Entscheidung treffen, was für sie wertvoll ist.
Gregor Schneider war so gerührt von dieser Idee, dass er selbst eine Arbeit beisteuerte und nun gespannt ist, wie die Gegengabe ausschaut. Im Gespräch sagt er: „Da scheint eine neue Generation heranzuwachsen. Seit den Jahren, in denen erfolgreiche Kunst für Geld und Dekadenz steht, interessieren sich Studierende für andere Haltungen in der Kunst. Der renovierte Flur, der so harmlos daherkommt, wird zu einer großen Geste.“
Neue Impulse gibt es in der Klasse der Installationskünstlerin Franka Hörnschemeyer, die sogar kurz nach ihrem Eintritt in die Kunstakademie zur Prodekanin gewählt wurde. Ihren Raum 8 findet der Besucher nur, wenn er im Vorbau erfolgreich nach dem Eingang tastet. Am besten gehe er gleich auf die Empore und klettere in einen veritablen Dachboden mit Luken. Dort hängt ein Seil, das über eine Kurbel ein riesiges Zelt im Hauptraum hebt und senkt. Manchmal wird es bedrohlich dunkel, dann wieder ist es strahlend hell im Raum. Auf dem Boden liegen tonnenschwere Smilies, deren Formen aus den sozialen Medien stammen und in Beton gegossen sind. Wer will, kann auch im Hauptraum auf eine Leiter klettern und durch Gucklöcher auf die Kuppel der Tonhalle schauen. Eine körperliche Mitmachaktion ist dies.
Köstlich ist in einem weiteren Raum ihrer Klasse eine Arbeit von Rebekka Benzenberg, die eine Raumecke bis unter die Decke mit gespreizten Strumpfhosen bestückt. Perfekt ist das Ganze, zugleich weiblich und frech.
Politik spielt in der Kunstakademie kaum eine Rolle. Sie ist seit den Tagen von Joseph Beuys sowieso nur eine Randerscheinung. Es gehört schon viel Fantasie dazu, um im kleinen Video des Duos Sophia Magdalena Koegl und Robert Dziabel in der Klasse von Peter Doig neben der ausgestreckten Eva auf dem Bett einen leicht verwischten Winzling in der Ecke zu entdecken, der sich als der neue Herrscher Amerikas entpuppt.
Majestätischer erscheint das Pentagon von Hakan Eren, das sich als Grundriss wie ein Karussell dreht und von vier weißen Rittern aus den Kreuzzügen umgeben ist. In der Fritsch-Klasse lässt auch Sven Raick graue Kunststoff-Vögel aus einer Art Käfig fallen. Der Student versucht, sie mit seinem eigenen Blut lebendig zu machen. Ein absurdes Spiel. Er meint, in der Kunst laufe man auch hinter etwas her, ohne zu wissen, warum man es macht.