Kunstfund: Gurlitt war Täter und Opfer zugleich
Hildebrand Gurlitt war Chefeinkäufer für das „Führermuseum“. Dabei hatte er selbst jüdische Wurzeln. Von 1949 bis 1956 wirkte er in Düsseldorf.
Düsseldorf. Nach dem Tod von Hildebrand Gurlitt berichtete 1956 eine Düsseldorfer Tageszeitung über dessen „bemerkenswerte Sammlung von Aquarellen der Maler des deutschen Expressionismus“.
Er habe sie über alle Nöte der Zeit hinweg zu retten verstanden. Ob diese Sammlung identisch ist mit der seines Sohnes Cornelius, die 2011 in München beschlagnahmt worden war, das müssen jetzt Forscher klären.
Wer war dieser Hildebrand Gurlitt, den die Düsseldorfer als Leiter des Kunstvereins nach dem Kriege loben, dem die Alliierten ein Unbedenklichkeitszeugnis ausstellten und dessen Sohn Cornelius Gurlitt die Zollfahnder mit 1500 Bildern der klassischen Moderne schon 2010 ins Fadenkreuz nahmen?
Der Fall ist derart spektakulär, dass die Bundesregierung seit Monaten eingeschaltet ist. Die Werke, die bislang als verschollen oder verbrannt galten, werden mit „Entarteter Kunst“ in Zusammenhang gebracht. Als „entartet“ hatten die Nazis rund 21 000 Werke beschlagnahmt. Von 17 000 fehlt jede Spur.
Mit der Thematik befasst ist u.a. die Forschungsstelle „Entartete Kunst“ an der Freien Universität Berlin, die auch von der Düsseldorfer Gerda Henkel Stiftung unterstützt wird. Mitarbeiterin Meike Hoffmann koordiniert diese Forschung. Erst vor kurzem hielt sie in der Landeshauptstadt einen Vortrag über „Die Beschlagnahme ‚Entarteter Kunst‘ 1937 in den Kunstsammlungen der Stadt Düsseldorf“.
Auch in die Akte Gurlitt ist sie eingeweiht. Sie schweigt über den aktuellen Fall, aber äußerte sich zu Cornelius Gurlitts Vater Hildebrand. Danach spielte Gurlitt senior eine Doppelrolle im Dritten Reich, als Täter und als Verfolgter.
Hildebrand Gurlitt war ein „ganz hervorragender Museumsmann“ (Hoffmann). 1895 in Dresden geboren, begann er seine Laufbahn in Zwickau als Museumsleiter. Er war in den 20er und 30er Jahren ein mutiger Kämpfer für die Moderne. Hoffmann: „Er wurde zwei Mal wegen seiner Einstellung zur modernen Kunst von reaktionären Kreisen entlassen. So fühlte er sich zum Kunsthandel gedrängt.“
Seine Großmutter war Jüdin. Hoffmann: „Also musste er etwas unternehmen, um mit seiner Familie in Deutschland bleiben zu können.“ Sein Cousin wanderte als Komponist nach Japan aus. Sein Bruder, Lehrstuhlinhaber in Freiburg, wurde 1933 entlassen. Hildebrand Gurlitts Kinder waren klein. So wurde er, wie Hoffmann es nennt, „Chefeinkäufer unter Hermann Voss für den Sonderauftrag ,Führermuseum Linz’.“
Gurlitt wurde in Dresden ausgebombt. So sagte er. Er floh nach Aschbach und wurde von den Alliierten festgenommen. Seine Kunstsammlung und sein Besitz sollen, so hieß es, durchgeprüft worden sein. Zwei Jahre saß er fest. Dann gaben ihn die Alliierten frei und stuften seine Werke als unbedenklich ein. Ende 1947 wurde er nach Düsseldorf berufen, wo er seine erfolgreiche Tätigkeit als Leiter des Kunstvereins Düsseldorf 1948 anfing.
Für Meike Hoffmann steht fest, dass er in dieser Zeit in kleinem Stil weitergehandelt hat. Er wollte sich aber nicht mehr vorrangig als Kunsthändler betätigen, er fühlte sich als Kunsthistoriker.
Hildebrand Gurlitt starb 1956 bei einem Unfall, an ihn erinnert heute noch die Gurlittstraße in Bilk.