Kritik Maria und Josef im Taumel der Gefühle

Premiere des von Alexander Kubelka inszenierten Weihnachtsklassikers im Schauspielhaus.

Kritik: Maria und Josef im Taumel der Gefühle
Foto: Sebastian Hoppe

Düsseldorf. Leierkastenmelodie dudelt über die Warenhaus-Lautsprecher. „Weihnachtszeit — Wunderzeit“ sagt eine schnurriger Werbe-Ansager. Und ermuntert die Kunden zu einer letzten Schnäppchen-Jagd im Kaufhaus. Multifunktions-Kerzen oder Knochensägen für die Weihnachtsgans — elektrisch oder mit Batterien betrieben — sind besonders günstig zu erwerben, in letzter Minute vor dem Fest. Fröhliche Weihnachten! wünscht die sympathische Stimme des unsichtbaren Mannes. Ob sich dieser fromme Wunsch auch für die beiden betagten Protagonisten in Peter Turrinis Stück „Josef und Maria“ erfüllt, bleibt bis zum Schluss offen.

Die Premiere Neu-Inszenierung von Turrinis groteskem Weihnachts-Klassiker im Kleinen Haus — 1980 uraufgeführt in Graz, neu bearbeitet 1999 in Wien — wurde jetzt mit herzlichem Lachen gefeiert. Viel Applaus gibt’s besonders für Manuela Alphons und Winfried Küppers — sie demonstrieren eindrucksvoll, dass auch Oldies noch richtig gute Schauspieler sein können und dabei ein Wechselbad der Gefühle bescheren. Mitleid und tiefer Trauer verleihen sie in den pausenlosen 90 Minuten ebenso Gewicht wie beißender Selbstironie und Satire über die allzu menschliche Art, das eigene Leben im Nachhinein nach allen Regeln der Kunst zurechtzurücken.

Sobald die Türen schließen, schleppt sich die ältere Putzfrau Maria Patzak, mit Tüten und Geschenken bepackt, durch die schneebedeckte Straße. Sie ist allein, wird nicht mehr gebraucht und ist von ihrer Familie vergessen. Ihr Sohn Willi ist seiner Frau hörig — eine typische, ja stereotypische Schwiegertochter, die die Schwiegermama auf Distanz hält.

Letztere, also Maria, eine Ex-Revuetänzerin, flieht deshalb in Erinnerungen an ihre Tanz-Karriere. Als junge Frau hatte sie es zwar nur in eine Absteige im albanischen Tirana geschafft, beschönigt aber die Vergangenheit als große Ballett-Karriere.

Nicht weniger einsam, absurd und gestrig wirkt Josef Pribil, der heute die Uniform einer Wach- und Schließgesellschaft trägt, aber immer noch von seiner Glanzzeit als Berufs-Revoluzzer und Alt-Kommunist von einer besseren Welt träumt. Sie fühlen sich als Müll am Rande der Wohlstandsgesellschaft.

Unterhaltung mit Tiefgang und verborgener Kritik an der modernen Konsumgesellschaft bietet die Inszenierung der Österreichers Alexander Kubelka. Zwischen knallroten Weihnachtskugeln in XXL-Größe, rieselndem Kunstschnee und schneeweißen Groß-Teddybären brechen Josef und Maria aus der Weihnachtswelt aus. Sie beschnuppern sich zunächst, kommen sich nur langsam näher, pfeifen dann auf Zwänge ihres Jobs, trinken reichlich Weihnachtsschnaps und tanzen einen schmiegsamen Tango.

Bei aller heiteren Karikatur und Überzeichnung denunzieren Manuela Alphons und Winfried Küppers nicht die beschädigten Figuren, sondern verleihen ihnen Würde. Zwar hängt über dem Abend der Schleier von Hoffnungslosigkeit und garstigem Spott à la Thomas Bernhard. Doch durch ihre Einbildungskraft reißen die zwei immer wieder aus der Tristesse heraus und überzeugen durch Lebens-Bejahung.

Fazit: Ein Theaterabend, der durch einen Mix aus Leichtigkeit und Besinnlichkeit nicht nur für die Weihnachtstage geeignet ist.