Nigel Kennedy rockt mit Bach die Tonhalle

Stargeiger macht aus Barockkonzerten rhythmische Feuerwerke.

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Düsseldorf. Er wirkt immer so ein bisschen wie ein Straßenmusiker, der britische Stargeiger Nigel Kennedy. Den Frack legte er schon vor Jahrzehnten ab und tritt eher auf, als sei er ein Rocker. Aufs Podium der Tonhalle kam er mit neongelben Turnschuhen und schwarzer Gummijacke. Die Haare trägt er — wie immer — nach oben gestylt. Aber das legere Outfit ist nicht nur äußere Show, sondern die passgenaue Hülle für Kennedys musikalisches Ego.

Seine Nummer 1 unter den Komponisten sei Johann Sebastian Bach, sagt Kennedy. Und vier von Bachs Konzerten für Violine und Orchester hat der Geiger mit Entertainer-Qualitäten aufs Programm gesetzt. Doch es wurde keine brave Hommage, sondern eine fantasievolle Neuentdeckung von altbekannten Musikwerken. Denn Kennedy begnügt sich nicht mit solider Geigenkunst, die Stücke sollen zünden wie Raketen.

Auf jeder wichtigen Betonung stampft Kennedy, der auch das ihn begleitende Orchester dirigiert, vehement auf den Fußboden. Das wirkt, als wolle der Musiker sagen: „Bach ist nicht von Gestern, sondern vitale Gegenwart.“ Technisch spielt Kennedy nach wie vor auf Spitzenniveau, auch wenn er im Eifer des Gefechts schon mal die eine oder andere Unsauberkeit in Kauf nimmt. Solche Intonations-Einsprengsel werden aber von der Lebendigkeit des Spiels vollkommen überstrahlt.

Noch faszinierender als Kennedys Dynamik ist aber seine Innigkeit bei der Darbietung langsamer Sätze. So verrückt-albern er manchmal auch auftritt: In einem Bach-Adagio sind all die Grellheiten plötzlich ausgeblendet. Dann singt die Geige ruhig und intensiv, lässt die Welt um sich herum verstummen und lädt ein zum musikalischen Meditieren.

Der Schüler des Jahrhundert-Geigers Yehudi Menuhin sorgt unterdessen gerne für Überraschungen und erschreckt damit die Gewohnheitstiere unter den Konzertbesuchern. So gibt es mehr zu hören als das, was auf dem Programm steht. Zum Beispiel sind kleine Trommeln im Orchester versteckt, die den Rhythmus noch einmal verstärken. Die Kadenzen sind freie Improvisationen mit stilfernen Orientalismen.

Und Kennedy spielt auch zwischendurch eigene Kompositionen, eher leichte Kost zwischen den schweren Bach-Gängen, wie Kennedy zugibt: „Ein kleines Sorbet“. Das Orchester, die Russische Kammerphilharmonie St. Petersburg, macht bei allen Eskapaden bereitwillig mit und erweist sich ohnehin als glänzender Klangkörper. Beim Tonhallen-Publikum kommt das alles bestens an, wie der kräftige Beifallsjubel bezeugt.