Ausstellung NRW-Forum Düsseldorf zeigt Verschwörungstheorien in der Kunst
Düsseldorf · In der Ausstellung widmen sich Künstler konspirativen Erzählungen, Fake News und alternativen Fakten. Sie richten Suchscheinwerfer auf Besucher, dokumentieren Freimaurer-Logen, rekonstruieren NSU-Morde oder manipulieren berühmte Fotos.
Verschwörungstheorien tauchen immer dann auf, wenn Weltereignisse stattfinden. Nach dem Terroranschlag vom 11. September in New York, nach der Mondlandung, nach dem Attentat auf John F. Kennedy oder nach dem Tod von Elvis Presley. Doch seit der europäischen Flüchtlingskrise und der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten hat sich etwas geändert: Verschwörungstheorien, Fake News und alternative Fakten beziehen sich nicht mehr nur auf ein bestimmtes Ereignis, sondern sind inzwischen ein fester Bestandteil der politischen und gesellschaftlichen Debatten.
Das NRW-Forum reagiert nun mit einer Ausstellung auf das Zeitalter, in dem Emotionen die Fakten immer mehr verdrängen. Unter dem Titel „Im Zweifel für den Zweifel: Die große Weltverschwörung“ setzen sich 16 Künstler mit konspirativen Erzählungen auseinander: mit Fotografien, Objekten und multimedialen Installationen. Allerdings nicht illustrativ. Die Kunstwerke widmen sich vielmehr den Bedingungen, Auswirkungen oder Gefühlen, die mit Verschwörungstheorien zusammenhängen, z.B. Überwachung oder Bild-Manipulationen.
Die beiden Kuratoren Alain Bieber (Chef des NRW-Forums) und Florian Waldvogel wollen den Besucher durch eine Atmosphäre der Unsicherheit schreiten lassen. Dazu haben sie die Räume im Erdgeschoss verengt, mit dunklen Tunnelgängen versehen oder die Wandteile gekippt. Ausdruck dafür, dass Wahrheiten ins Wanken geraten sind. Der dänisch-isländische Star-Künstler Ólafur Elíasson leitet die Schau mit seinem „Highlighter“ ein. Oben an der Wand hat er einen schwarzen Kasten mit Suchscheinwerfer montiert, der die Besucher verfolgt. Ein paar Schritte weiter trifft man auf das Wandobjekt „NSU“ von Olaf Metzel. Es zeigt eine Blume aus zusammengefalteten türkischen Zeitungen, die über den NSU-Prozess berichtet hatten. Bei näherem Hinsehen zeigt sich: Die Zeitungen bestehen aus Aluminium. Das Gebilde mit dem schlichten Titel „NSU“ symbolisiert zugleich eine Explosion.
Ebenfalls mit der NSU setzt sich das Londoner Kunst- und Rechercheinstitut „Forensic Architecture“ auseinander. Es hat den Mord an Halit Yozgat in einem Kasseler Internet-Café 2006 untersucht und die Ergebnisse in der Installation „77qm_9:26“ dokumentiert. Das Internetcafé hat die „Forensic Architecture“ in Originalgröße nachgebaut, um etwa die Lautstärke des Schusses zu ermitteln.
Hinzu kommen Bildschirme mit Videos und Simulationen sowie eine Informationstafel zu den Ereignissen rund um den NSU-Mord und den Verfassungsschützer Andreas Temme, der die Tat wohl mitbekommen hat, das aber bestreitet. Die Kunst- und Rechercheagentur konnte simulieren, was Temme gesehen haben musste: Mit einem geleakten Youtube-Video, in dem Temme für die Polizei seine Bewegungen durch das Internetcafé nachstellte und mit vielfältigen anderen gesammelten Informationen. Komplexe Recherchekunst, für die man sich Zeit nehmen muss.
Die Fotografin Juliane Herrmann zeigt 20 Fotos, die weltweit Freimaurer-Logen dokumentieren: in Deutschland, Brasilien, England oder Israel. Seit ihrer Gründung vor 300 Jahren sind sie im Visier von Verschwörungstheoretikern. Sie würden Regierungen unterwandern oder Machthaber ermorden. Herrmann zeigt Freimaurer, die stolz in typischer Montur in die Kamera blicken: mit Anzug, Bijou und Schurz. Zugleich bricht Herrmann den Mythos vom Geheimbund mit Alltagsszenen: in einem Freimaurer-Tempel im englischen Bradford posieren plötzlich Hunde, obwohl sie sich in diesem Raum der Rituale eigentlich nicht aufhalten dürften.
Künstler und Werbe-Papst Michael Schirner beschäftigt sich mit einem zentralen Mittel konspirativer Erzählungen: der Bildfälschung. In einem Raum präsentiert er 11 sogenannte Digigraphien. Schirner manipuliert Archivbilder und verändert Momente der Weltgeschichte und des kollektiven Gedächtnisses. Auf dem berühmten Foto des toten Uwe Barschel in der Badewanne eines Genfer Hotels fehlt der Politiker plötzlich. Er wurde herausretuschiert. Die Künstlergruppe Iocose beschäftigt sich mit Verschwörungstheorien im Netz-Zeitalter. In ihrer Foto-Serie „A crowded Apocalypse“ hat sie weltweit Menschen gebeten, sich mit Plakaten und Pappschildern abzulichten, auf denen konspirative, aber völlig sinnlose Thesen auf Englisch zu lesen sind. Etwa „Die Welt ist in Gefahr. Boykottiert Pizza Hut und Pakistan.“ Die paranoide Erzählung entsteht in diesem Fall durch die Masse an Bildern: rund 80 hängen an der Wand.
Aktionskünstler Julius von Bismarck lässt mit Richard Wilhelmer und Benjamin Maus einen Drachen mit LED-Lampen vom Dach des Museums aufsteigen. Es wird aber behauptet, dass es sich dabei um einen unentdeckten Stern handelt. Was bedeutet das für alle anderen Sterne am Firmament? Sind die auch nicht echt?
Eine facettenreiche Schau, die für die Debatte um das postfaktische Zeitalter und die Renaissance des Rechtspopulismus wichtige Impulse liefern könnte.
Info: Die Ausstellung „Im Zweifel für den Zweifel: Die große Weltverschwörung“ läuft bis zum 18.November im NRW-Forum.