Premiere von Vekemans Stück „Gift. Eine Ehegeschichte“

Vekemans Stück „Gift. Eine Ehegeschichte“ feiert in Düsseldorf Premiere - ein Lebens-Duett, das bewegt.

Foto: Sebastian Hoppe

Düsseldorf. Zuerst verlieren sie ihren einigen Sohn, dann sich selbst, schließlich einander. Mit diesen Worten versucht die männliche Figur im Stück „Gift. Eine Ehegeschichte“ seiner Ex-Frau zu erklären, warum sie sich trennten und zehn Jahre — er besteht darauf, dass es nur neun waren — weder gesehen noch gesprochen haben.

Wo sie sich treffen? Auf dem Friedhof, auf dem ihr durch einen Unfall umgekommener Sohn Jakob beerdigt wurde. Im Grundwasser sind angeblich Giftstoffe gefunden worden; deshalb müssen 200 Gräber verlagert werden, hat das Friedhofsamt ihnen geschrieben. Daher müssen beide kommen. Und schnell brechen bei ihm die gerade verheilten Wunden wieder auf. Sie indes hat sich zehn Jahre verbissen an den gestorbenen Sohn geklammert und tief in Schmerz und Trauer vergraben.

Es ist ein ungewöhnliches Kammerspiel der leisen Töne aus der Feder der niederländischen Autorin Lot Vekemans, die jetzt nach der Premiere im Kleinen Schauspielhaus auf die Bühne kam und — zusammen mit Schauspielern und Regieteam von Günther Beelitz - gefeiert wurde.

2009 in Gent uraufgeführt, wird „Gift“ mittlerweile auch in großen Häusern in Berlin und München gespielt und ist nun in Düsseldorf zu sehen. Schon beim Lesen packt der Text des Zwei-Personen-Stücks. Die Dialoge zwischen den Ex-Partnern sind einfach, klar, verzichten auf verblüffende Einsichten und berühren durch die Alltags-Typen in Parker und Trenchcoat, die Käse-Brote schmieren und im Chor singen. Und denen man in diesen novembrigen Trauer-Tagen auf einem Friedhof begegnen könnte.

Unaufgeregt und unsentimental gibt sich die Inszenierung von Beelitz, der Vekemans’ Sprache und der Spielkunst der starken Darsteller Karin Pfammatter und Andreas Grothgar vertraut.

Authentisch wirken die beiden, wenn sie sich dieselben Vorwürfe wie damals machen, sich streiten, vertragen und sich nun rückwärts an ihre gemeinsame Vergangenheit herantasten. Eine Intensität entsteht, die Ausstatter Alexander Müller-Elmau noch durch einen schlichten Raum verstärkt: Sie sitzen auf einer von drei Parkbänken und reden. Davor ist die Bühne bedeckt mit frischem Herbstlaub. Daneben ein Kaffeeautomat und ein Wasserspender. Während sie nervös und unsicher die Fäuste in der Tasche ballt und hektisch eine Toilette sucht, zieht er sich einen Kaffee und telefoniert mit seiner neuen Frau Valérie in Frankreich. Denn dort lebt er, ist nach dem Tod des Sohnes, am Silvesterabend 2004, in das Ferienhaus seiner Mutter geflohen und kam seitdem nie wieder zu ihr zurück.

Dass er nun eine neue Frau hat, die von ihm schwanger ist, will sie anfangs nicht verstehen, wirft ihm Leichtigkeit vor, wenn er sagt „Man muss einen Schlussstrich ziehen.“ Sie, die jeden Tag um Jakob trauert, zischt: „Du hast Dich nicht verändert.“ Nur langsam verändert sich der Tonfall, weichen die Attacken einem gegenseitigen Verständnis: Sie nähern sich an und können endlich gemeinsam trauern. Dabei offenbart er, dass er sie verlassen hat, weil er zerfressen war von dem Verlust des Sohns.

Erleichtert scheint sie, dass auch er sich an die Minute erinnert, als die lebenserhaltenden Geräte abgestellt wurden und der Junge langsam das Atmen aufhörte. Echt wirkt das Ende, wenn sie versöhnt auseinander gehen und sich vermutlich nicht wiedersehen werden. Fazit: Ein bewegendes Lebens-Duett - Andreas Grothgar und Karin Pfammatter sei Dank!