Konzert Voodoo Jürgens holte Wien ins Zakk
Düsseldorf · Der österreichische Musiker trat mit seiner Band im Club auf und beeindruckte mit seiner besonderen Ästhetik.
Sehnt man sich nach dem echten Wien, so muss man Voodoo Jürgens und seiner Band Ansa Panier zuhören. So einfach ist das eigentlich. Und doch ist es ein bisschen komplizierter.
Was ist das schon, diese „echte“ Wiener Stimmung? Viele Vorurteile mag es dazu geben, manche mögen bestimmte Bilder, bestimmte Klänge, bestimmte Stimmungen im Kopf haben – gerne geprägt von euphorisierenden Urlaubserlebnissen oder vielleicht auch dem einen oder anderen medialen Einfluss. Doch will man das authentische Wien erleben, so muss man abseits der wohl gepflasterten mit feinem Glanz und schicker Fassade geschmückten Pfade wandeln. In das urig pochende, bisweilen schmutzige gerne auch bittersüß faulige, oftmals erschreckend anpolierte und dabei doch so authentische und irgendwie charmante Herz von Österreichs Hauptstadt hineinkriechen. Oder ist das auch nur ein Vorurteil?
Aus jener Ursuppe – die klanglich geprägt ist vom Wienerischen, jenem unnachahmlichen Wiener Dialekt, an dem sich Nicht-Wiener niemals probieren sollten – schält sich auch eine musikalische Sphäre, die gerne gemeinhin als Austropop tituliert wird. Jene Mischung – wenn man sie denn genau definieren kann – aus musikalischen Einflüssen, die so eigentlich nur in Österreich haben entstehen können und doch nicht selten insgeheim von holländischen Produzenten abgemischt wurden. Aber das ist eine andere Geschichte. Kommen wir auf den Voodoo – eigentlich David Öllerer –, der mit seiner Musik doch ganz anders ist als jener Udo, auf dessen Namen sich sein Pseudonym sarkastisch bezieht, zu sprechen.
Im Zakk erklangen Lieder von seinem neuen Album
Der 1983 in Tulln an der Donau geborene – nennen wir ihn Liedermacher – schafft es, mit seinen auf Wienerisch gesungenen Liedern, die eine geniale Mischung aus Melancholie, auch musikalisch wienerischem Tonfall und Gesellschaftssatire vereinen, das Gefühl bei seinen Zuhörern zu erwecken, man sei plötzlich mitten im „echten“ Wien. Einem Wien auf der gescheiterten Seite der schmucken Gründerzeitfassaden, wo nicht der Johann Strauss die erste Geige spielt. An einem bleiernen verregneten Abend, umgeben von noch nicht oder nicht mehr gescheiterten Figuren – wohl weil sie sich damit abgefunden haben, dass das Leben so ist wie es ist – in einem verqualmten Lokal. Ein Ort, den es in Wien so noch geben mag – vielleicht aber auch nicht mehr lange, wer weiß das schon.
Auch Voodoos Auftritt im Club des Zakk, bei dem zuvor Alicia Edelweiss an ihrem Akkordeon ihre eigenwillig ungewöhnlich kunstvolle Liedermacherei zum Besten gab, konnte genau diese Atmosphäre hinauf beschwören. Ab dem ersten Moment fühlte man sich mit Liedern wie „Rode Sporttoschn“ oder „Scheidungsleichn“ im rheinischen Düsseldorf plötzlich in eine ganz andere Welt entführt. Voodoos Look, seine Gesten und Bewegungen, seine Aura sind genau von dieser undefinierbaren Mischung aus Niedergang und Haltung, Charme und Ödnis, Kultur und Proletentum durchdrungen. Als Kunstfigur, natürlich. Mit seiner immer leicht ironischen Art, die aber keinesfalls aufgesetzt, sondern durch und durch ehrlich wirkt, seiner angenehmen, leicht ins ganz leicht Nasale tendierenden, hellen Stimme begleitet von der hervorragenden leicht jazzigen Band, gelingt es Jürgens Geschichten zu erzählen, die so typisch für Wien scheinen, das sie fast wiederum stereotyp wirken. Humorige Erkenntnisse über den Alltag, der doch gar nicht so alltäglich scheinen mag.
Seine Musik vereint lokale musikalische Tonfälle
Dabei durchdringt die Songs auch auf seinem neuen Album „’S klane Glücksspiel“ eine musikalische DNA, die nicht nur durch die Sprache Wiener Blut in sich hat. Hier treffen lokale Tonfälle, die aus der bürgerlichen Musikkultur stammen, auf folkloristische Nuancen, immer versteckt hinter einem intelligenten, indes erdigen Sound. Schrammelmusik in das 21. Jahrhundert geholt? Vielleicht würde Voodoo widersprechen – oder auch nicht. Ist das nun eine Art österreichisches Folk oder doch eine ganz eigene dialektische Mischung aus sich ergänzenden Einflüssen. Eigentlich vereint sich in dem Stil, den Voodoo und seine Band pflegen, Gegensätzliches zu einer ganz eigenen Ästhetik. Wie so oft bei guten kunstvollen Produkten von heutiger „populärer“ Musik. Und wie in Wien selbst. Der schon immer als ein großer bunter Schmelztiegel für unterschiedliche kulturelle Einflüsse galt.
Für alle, die Voodoo Jürgens noch nicht kennen, aber eine gewisse Sympathie für Österreich oder Wien im Speziellen haben, sei eingehendere Beschäftigung mit dem grandiosen Musiker empfohlen. Alle anderen wissen schon, was sie an ihrem Voodoo haben. Sein Auftritt im Zakk – im eher kleineren Rahmen – hat allerdings gezeigt, Voodoo ist immer noch ein Geheimtipp. Zumindest hierzulande. In Österreich war sein erstes Album „Ansa Woar“ 2016 satte 21 Wochen in den Charts und erreichte Platz eins.