Deutsche Oper am Rhein Sopranistin Alexanyan über „Madame Butterfly“: „Ich muss die Zuschauer zum Weinen bringen"

Die armenische Sopranistin Liana Alexanyan über ihre Rolle in „Madame Butterfly“.

Foto: Hans-Jörg Michel

Düsseldorf. Die Ehe zwischen der Geisha Cio Cio San und dem amerikanischen Marineoffizier Pinkerton hält nur kurz und nimmt, wie Opernkenner wissen, ein tragisches Ende. Denn Pinkerton, für den die Beziehung nichts mehr als eine Affäre bedeutet, verlässt sie, kehrt nach Jahren zurück nach Japan, um das gemeinsame Kind mit in die USA zu nehmen. Vor tiefem Schmerz nimmt sich die Titelfigur in Puccinis „Madame Butterfly“ das Leben und erdolcht sich.

Ein Moment, bei dem selbst routinierte und hartgesottene Operngänger manchmal zum Taschentuch greifen. „Wenn alle am Ende weinen, dann habe ich einen guten Job gemacht“, sagt Liana Alexanyan. Die armenische Sopranistin singt die Butterfly auch in der Neu-Inszenierung des Klassikers (basierend auf dem Roman „Madame Chrysantheme“ von Pierre Loti), neben der ‚Tosca’ wohl die beliebteste Oper Puccinis.

Alexanyan bereitet sich in diesen Tagen auf die Premiere am 18. November im Opernhaus vor. Die Inszenierung von Joan Anton Rechi kennt Alexanyan, da sie bereits die erste Premiere in Duisburg gesungen hat. Außerdem: Etwa 50 Mal hat sie das „Fräulein Schmetterling“ in vier Jahren gesungen, in zehn verschiedenen Regie-Fassungen. Das erste Mal Anfang 2014 in Köln. Danach wurde die Künstlerin mit prächtigem wohlklingendem Sopran als „Butterfly“ auf internationalen Bühnen herumgereicht - in Buenos Aires, Seoul und kürzlich an der Mailänder Scala unter Pultstar Ricardo Chailly.

Ein beachtliches Pensum für eine Sängerin; denn die zum Teil hochdramatischen Arien werden von vielen Sopranistinnen als Stimmen-Killer gefürchtet. Angst um hohe Noten braucht die in Jerewan aufgewachsene Alexanyan, deren Sopran auch in den Spitzentönen weich und rund klingt, nicht zu haben. Gefährlich werde es nur, wenn „man zu sehr puscht und die Gefühle nicht unter Kontrolle hat“.

Andererseits möchte das Publikum bei der Tragödie um die 15-jährige Geisha ergriffen werden. „Wenn ich meine Stimme zu stark kontrolliere, wird’s schnell langweilig.“ Aber: „Ich darf selber nicht weinen, sondern muss die Zuschauer zum Weinen bringen.“ Für sie gilt die Devise ihres Lehrers in Armenien: „Herz und Hirn müssen in Harmonie gebracht werden.“

Und wichtig sei, dass die Darstellerin der Cio Cio San ein gerüttelt Maß an Lebenserfahrung in sich trage, um das Leiden des Mädchens über die Rampe zu bringen. Liana ist noch im Kommunismus groß geworden, erzählt sie, hat die Wirren um die Unabhängigkeit Armeniens von der Sowjetunion erlebt. Einige ihrer Freunde seien bei den Unruhen getötet worden, sagt sie und ringt um ihre Gefühle. Wie sie zur Oper gekommen ist? Über Umwege. Sie habe schon als Kind gesungen, und als Mädchen am liebsten Jazz und Soul. „Meine Hausgöttin war damals Whitney Houston.“

Weil sie sich jedoch bei den Liedern verausgabt habe, wandte sie sich an einen Gesangslehrer, um die Stimme richtig zu führen. Erst als sie einen Kommilitonen mit einer Puccini-Arie gehört hat, sei der Funke übergesprungen. Und die Begeisterung für die Oper. Sieben lange Jahre dauerte es. Dann — „mit 22 war meine Stimme dann voll da“, strahlt sie. Sie erreichte 2004 das Finale des berühmten „Belvedere“-Gesangswettbewerbs in Wien, sang in Verdi, Puccini- und Donizetti-Opern als Gast in Hamburg, Berlin und Köln. Und gehörte zwei Jahre zum Ensemble von Braunschweig.

2011 kam sie als Einspringerin das erste Mal für ein Open-Air an die Rheinoper, brillierte im Anschluss als Donna Anna (in „Don Giovanni“) und Micaela (in „Carmen“) in Düsseldorf. Und schwärmt von der Stadt am Rhein. Im Augenblick ist sie zwar permanent auf Achse, auch als „Butterfly“ und nutzt ihre Braunschweiger Wohnung nur zwei Wochen pro Jahr. „Vermutlich werde ich bald nach Düsseldorf umziehen“, hofft sie. Und wie sieht ihre Opern-Zukunft aus? Wird man sie bald in Wagner-Partien erleben? „Ich liebe die Werke von Wagner. Aber meine Stimme muss sich noch entwickeln. Vielleicht bin ich in zehn Jahren so weit.“ In naher Zukunft würde sie gerne häufiger in französischen Opern auftreten — sagt sie in fließendem Deutsch, das sie, wie Italienisch, als Autodidaktin gelernt hat.