Tanztheater: Ein Jegliches hat seine Zeit

Die Gruppe Matthaei & Konsorten widmet sich im FFT beeindruckend den Fragen nach Jugend, Alter und Vergänglichkeit. Barocke Gedichte begleiten die Tanzdarbietung.

<strong>Düsseldorf. Mit begeistertem Elan erzählt der junge Christian Kirchhof von seiner Lust an der Bewegung und der Faszination des Tanzes als Ausdrucksmedium. Aus dem Hintergrund mischen sich das zwischen Lachen und Weinen schwankende Keuchen eines Mädchens und das resignierte Geständnis einer älteren Frau, sich nicht erinnern zu können, hinein. Jugend, Aufbruch, Freude, Irrsinn, Alter und Verlust fügen sich zu einer faszinierenden Momentaufnahme des Lebens. Die Szene stammt aus der Tanzperformance "Unsere Tage wie Schatten", die die Gruppe matthaei & konsorten um Regisseur Jörg Lukas Matthaei und den Choreografen Ingo Reulecke am FFT erarbeitet hat.

Fragmente privater Geschichten mit kleinen Tanzbewegungen

Die Zuschauer sitzen rund um die mit langen Stoffbahnen in sechs blickdichte Segmente unterteilte Spielfläche. Übersicht ist nicht zu haben, der Blick auf das Leben bleibt begrenzt - auch wenn die drei tanzbegeisterten Gymnasiasten Juliya Gawrylina, Karina Soltmann, Christian Kirchhof, die Tanzprofis Erika Walter und Ingo Reulecke sowie die SeTA-Mitglieder Helga Jüttner und Bodo von Borries uns an ihren Ängsten, Körperbildern, Unfällen, an Bewegungs- und Tanzsehnsucht teilhaben lassen. Es sind Fragmente privater Geschichte, die mit Tanzbewegungen, Erzählungen und Musikfetzen zu einem atmosphärischen (Lebens-)Gewebe komponiert werden; manches bleibt dabei im thematisch Ungefähren, zu willkürlich sind mitunter die Bezüge. Das ändert sich schlagartig im zweiten Teil des Abends. Die in den Segmenten hängenden Kleidersäcke werden entleert, man schlüpft in neue "Rollen" und die trennenden Vorhänge rauschen herunter. Helga Jüttner rezitiert Texte des Barockdichters Andreas Gryphius und aus dem Buch Salomos über die Vergänglichkeit menschlichen Strebens. Während Vanitasformeln wie "Es ist alles eitel" oder "Ein jegliches hat seine Zeit" durch den Raum schwirren, tanzen die Jungen ausgelassen im Discostil oder Pas de deux. Ein jugendliches Carpe diem, das vom barocken Memento und den wie Infusionsbeutel in der Luft hängenden leeren Kleidersäcken konterkariert wird. Die Lebensalter sind nun geschieden; bedrohlich formieren sich die Jungen zu einer Phalanx, vor der die Alten zaghaft beiseiteweichen. Abschätzigen juvenilen Alterungsphantasien wird jedoch schnell der Boden entzogen, weil der Tod schließlich alle nebeneinander auf die Erde zwingt. Alle legen sich zum ewigen Schlaf nieder, dem nur der junge Christian Kirchhof als auf den toten Körpern tanzender Adonis trotzt.

Ein hinreißendes Bild, das schließlich zu den Erzählungen der individuellen Sterbevorstellungen der Darsteller überleitet. Auch wenn manches an dieser Produktion zu unscharf und weitläufig formuliert ist, es sind solche Szenen, die am Ende versöhnen und den Besuch lohnen.

FFT Juta, Kasernenstr. 6, weitere Auff. 20.-22.April, Karten: Telefon: 0211/87 67 87 18.

Matthaei & Konsorten erarbeiten seit 2000 Inszenierungen, theatrale Installationen, soziale Plastiken und Diskursproduktionen.

Viermal schon arbeitete Regisseur Lukas Matthaei mit dem Choreografen Ingo Reulecke zusammen. Zuletzt waren von Matthaei & Konsorten "Vom richtigen Leben 1 und 2" und "Gefährliche Orte" zu sehen.