Siren Eun Young Jung Genderspiele im Kunstverein am Grabbeplatz

Düsseldorf · Siren Eun Young Jung aus Korea blickt in ihren Videos zurück auf ein populäres Frauentheater von vor 50 Jahren.

Siren Eun Young Jung gastiert im Kunstverein.

Foto: Helga Meister

Eine große, farbenfrohe Plattform steht in der Mitte des obersten Saals in der Kunsthalle am Grabbeplatz, dem Spielort des Kunstvereins. Doch kein Bühnenstück wird aufgeführt. Das Podium ist ein bloßer Platzhalter, obenauf liegen lediglich zwei Bücher, darunter der Katalog zur Biennale von Venedig aus dem Jahr 2019. Ansonsten hängen an den Wänden Vorhänge und Scheinwerfer. Aber leider geht es nicht ums Theater, schon gar nicht um Unterhaltung, sondern um eine feministische Thematik, das Lieblingsthema im Kunstverein. Dort erhält die Koreanerin Siren Eun Young Jung, die den koreanischen Pavillon bespielte, ihre erste deutsche Einzelausstellung.

Als die Frauen mehr als Geishas auf der Bühne sein durften

Was die Künstlerin wie die Ausstellungsmacherin interessiert, muss uns Besucher nicht packen, etwa die „weibliche Aufführungspraxis, die auf Recherchen beruht“, so Kunstvereins-Chefin Eva Birkenstock. Auch Floskeln im Flyer wie „subversive Subjektivitäten“ und „affektbezogene Fragestellungen“ bewirken nicht die geringste visuelle Vorstellung.

Birkenstock ist vernarrt in die historische Gender-Thematik, diesmal in die Emanzipation asiatischer Frauen. Denn nach dem Zweiten Weltkrieg spielten ausschließlich Frauen in Südkorea alle Rollen, egal, ob männlich oder weiblich. Sie verschoben damit die vorherrschenden Geschlechter-Vorstellungen, dass Frauen auf der Bühne nur Geishas und Sexarbeiter sein können.

Doch beginnen wir von vorn. Die 1974 geborene, in Seoul lebende Siren Eun Young Jung hat in England ihren Master in Feministischer Theorie und Praxis der Bildenden Kunst gemacht. Seit 2008 erforscht sie die Strukturen des Yeoseong Gukgeuk-Theaters. Diese Spielform ähnelt der traditionellen koreanischen Oper Changgeuk mit ihren festgelegten Kunstfiguren, Dramen und Gesängen, wird aber durchweg von Frauen präsentiert. Das war ziemlich revolutionär damals. Und es erfreute sich in den 1950er- und 60er-Jahren großer Beliebtheit, vergleichbar den heutigen Drag-Queen-Shows.

Leider versteht der Besucher vieles nur dann, wenn er einen Interpreten neben sich hat. So gibt es gleich im Eingang zur Schau ein historisches Hochzeitsbild aus den 50ern, auf dem eine bürgerliche koreanische Braut sich im Kreis ihrer Lieben ablichten lässt, mit einem androgynen Bräutigam neben sich. Doch der Betrachter fällt sofort herein. Es ist nämlich kein authentisches, sondern ein fiktionales Hochzeitsbild. Die Braut war dreimal verheiratet, aber so fasziniert von dem Yeoseong Gukgeuk-Theater, dass sie deren Schauspieler bat, die Hochzeitsgesellschaft fürs Foto darzustellen. Selbst der Bräutigam auf dem Foto ist also nicht echt.

Als die Frauen bis zum Himmel schreien mussten

Schon Ende der 1960er geriet das Frauentheater in Vergessenheit, es passte nicht in die reaktionäre Modernisierungsideologie des Militärregimes von Park Chung-hee, der bis 1979 an der Macht blieb. Um die Spielform in die Erinnerung zurückzurufen, führte die Künstlerin Gespräche mit vier der noch lebenden, hoch betagten Schauspielerinnen aus der ersten Generation. Sie berichten nun im Video, wie sie die Männlichkeit dargestellt haben. In einem filmischen Beispiel sieht man eine alte Dame, die bei einem Vortrag lebhaft demonstriert, wie männliche Helden breitbeinig agieren müssen und am besten eine so laute Stimme haben sollten, als brüllten sie zum Himmel. Ein anderer Film zeigt, wie sorgfältig sich die Frauen mit Puder und schwarzer Schminke in einen grimmigen Mann verwandelten.  Und eine alte Dame aus der Gründerzeit des Theaters lamentiert, dass sie nie die ganz großen Rollen, sondern immer nur die zweiten Besetzungen spielen durfte, weil sie nicht singen wollte, um nicht als Geisha zu gelten.

Die Koreanerin will jedoch nicht nur den nostalgischen Blick, sondern sucht auch neue, häufig subversive Formen für die Gegenwart. Sie zeigt daher zugleich queere Performerinnen, die sich Drag Kings nennen, im Unterschied zu den Drag Queens im westlichen Kulturkreis. Doch die Schlagkraft, wie sie die erste Generation besaß, scheint verschwunden.

Info: Die Ausstellung mit koreanischen Originalstimmen in den Videos läuft bis 5. April, Grabbeplatz 4, bis 5. April. Öffnungszeit Dienstag bis Sonntag 11 bis 18 Uhr. Leider sind die Infos nicht ins Deutsche übersetzt.