Kultur Uraufführung am Schauplatz der Geschichte in Düsseldorf
Düsseldorf · Beim Asphalt-Festival erinnerte das Theaterkollektiv „Pièrre.Vers“ die Geschichte des Widerstands gegen die Nazis in Düsseldorf – auf dem Jürgensplatz.
Vor 75 Jahren erlebte auch Düsseldorf das „Finale“ des Zweiten Weltkriegs – eng verknüpft mit dem Ende des Nazi-Terror-Regimes und mit der Übergabe der Stadt an die US-Armee ist das Polizeipräsidium. Der Platz davor trägt seit der Nachkriegs-Zeit den Namen ‚Jürgensplatz‘, erinnert an Franz Jürgens und damit an einen der Helden, die sich in den letzten Tagen der braunen Zwangsherrschaft entgegenstellten, aktiv Widerstand in der Gruppe „Aktion Rheinland“ leisteten, um die völlige Zerstörung der Stadt durch flächendeckendes Bombardement der Alliierten zu verhindern.
Zwar stieg Oberstleutnant Franz Jürgens ab 1933 als Parteigenosse zunächst die Karriereleiter im NS-Staat empor, wurde sogar 1944 noch in die SS aufgenommen und nach Düsseldorf versetzt. Dennoch schloss er sich Mitte April 1945 der Widerstandsgruppe um Karl August Wiedenhofen und der „Antifaschistischen Kampforganisation“ von Herrmann Smeets an. Und versuchte, im Polizeipräsidium die NS-Beamten zu entmachten.
Die Aktion war zwar von Erfolg gekrönt. Viele Düsseldorfer begrüßten die US-Soldaten mit weißen Fahnen. Doch Jürgens und vier weitere Mitstreiter wurden in letzter Sekunde standrechtlich erschossen – von vernarrten Nazis, die Hitlers Nero-Befehl (die völlige Zerstörung Deutschlands) blind ausführen wollten oder immer noch an den Endsieg glaubten.
An diese Männer und die letzten Zuckungen des mörderischen NS-Amoklaufs und des Untergangs erinnern jetzt das Asphalt-Festival und das Theaterkollektiv „Pièrre.Vers“ mit einer packenden, streckenweise beklemmenden szenischen Rekonstruktion auf dem Jürgensplatz – genau dort, wo die Widerständler versuchten, den Hitlertreuen die Macht zu entreißen. Die Inszenierung von „Aktion: Aktion!“ stammt von Christof Seeger-Zurmühlen und basiert auf Materialien und Gesprächsprotokollen aus dem Stadtarchiv sowie der Mahn- und Gedenkstätte. Wenn auch auf theatralisches Aufdonnern durch fiktive Texte verzichtet wird, so erzeugen die Darsteller allein durch die nüchternen Texte eine suggestive Atmosphäre: In knapp 75 Minuten entsteht eine Spannung wie bei einem Polit-Thriller. Angeheizt durch Live-Percussion, Trommeln, Pauken. Eine bedrohliche Geräusch-Kulisse kommt über Kopfhörer den Zuschauern nahe. Sie weist auf dröhnenden Bombendonner und bohrendes Sirenengeheul hin – ähnlich wie es Düsseldorfer in ihren Luftschutzkellern vermutlich vernommen haben.
Die Zuschauer sitzen auf Dreh-Hockern mitten auf dem Platz, mit Blick auf das Präsidium, hinter dessen Mauern sich der Widerstand der couragierten Männer formierte. Und auf zwei Podeste, auf denen die Darsteller in Anzügen und Pullovern der 40er Jahre hin und hereilen, drei Fahnen (Weiß, Rot und Schwarz) hissen oder wieder einrollen. Die Darsteller Anna Magdalena Beetz, Julia Dillmann, Jonathan Schimmer und Alexander Steindorf schlüpfen in immer neue Rollen, machen aus den historischen Figuren Menschen aus Fleisch und Blut, zeigen ihre inneren Kämpfe und die Verzweiflung in dem Moment, als sie dem Untergang des verbrecherischen Staates und manchmal ihrer eigenen Existenz entgegensteuerten.
Es geht um die konspirativen Treffen der Gerresheimer Gruppe um den Juristen Karl Müller, den Architekten Aloys Odenthal, den Polizeibeamten Theodor Winkens und Bauunternehmer Theodor Andresen. Letzterer wurde im April 1945 hingerichtet – zusammen mit Franz Jürgens, dem Studenten Hermann Weill, dem Ingenieur Karl Kleppe und dem Kaufmann Josef Knab.
Eingebettet und vorbereitet werden die letzten braunen Tage in Düsseldorf in den Kriegsverlauf – Westfeldzug 1940, die ersten Bombennächte der Stadt 1942 und der großen Pfingst-Angriff am 12. Juni 1943, bei dem Spreng- und Brand-Bomben Teile von Düsseldorf in ein Flammenmeer verwandelten. Klar, dass für die Aufrechterhaltung des Überwachungsstaats der berüchtigte, aalglatte Gauleiter Friedrich Karl Florian eine unrühmliche Rolle spielte. Auch dieser NS-Spitzenbeamte kommt hier vor – zumal er nach dem Krieg nicht nur seinen Kopf aus der Schlinge ziehen konnte, sondern die Ermordung der Widerständler noch rechtfertigte.
Fazit: Eine dichte, authentische, nüchterne, gleichzeitig emotional packende Performance ohne viel Theaterdonner, die nicht nur Geschichts-Interessierten ans Herz zu legen ist.
„Aktion: Aktion!“ läuft bis 18. Juli, ab 19.30 Uhr, Jürgensplatz, im September auch beim „Düsseldorf Festival“.