Ute Lemper im Tango-Rausch
Mit vollem Stimmeinsatz und einer großartigen Band setzt die deutsche Chansonniere Astor Piazolla ein Denkmal.
Düsseldorf. Sie flüstert und brüllt, jauchzt und seufzt, wenn sie Geschichten von ermatteten Tangotänzerinnen erzählt und singt, die sich am Ende einer schweißtreibenden Nacht auf den Weg aus den Clubs nach Hause machen. „Der größte Feind des Tango ist das Morgengrauen“, schnurrt Ute Lemper (48) ins Mikro, die Stimme so sinnlich wie ihr hautenges, knallrotes, hochgeschlitztes Kleid. Ihr neues Projekt widmet die deutsche Chansonniere Astor Piazzolla, dem großen Komponisten, der einst den klassischen argentinischen Tango revolutionierte.
Mit ihrer eigenwilligen Hommage gastierte Lemper am Mittwochabend in der Tonhalle. Angetreten ist sie mit einem Sextett der besten Musiker, die Südamerika zu bieten hat: die Astor-Piazzolla-Band mit Größen wie dem Violinisten Fernando Suarez Paz, Marcelo Nisinman am Bandoneon oder Daniel Piazzolla, dem Enkel des berühmten Piazzolas selbst, am Schlagzeug. Sie verwandeln die Tonhalle mit mal herzzerreißenden, mal atemberaubend feurigen Melodien in ein Tanzlokal irgendwo in den Gassen von Buenos Aires.
In dieser Atmosphäre wirkt das Publikum seltsam fremd, wie es da so bewegungslos in den Sesseln verharrt. Als Ute Lemper endlich die Bühne betritt, bleibt die Band der Sängerin stets ebenbürtig, gerät niemals zum bloßen Beiwerk für die Diva, ja manchmal rettet sie den Abend sogar. Zum Beispiel, wenn Lemper Stücke intoniert, die vor Pathos und Schmalz nur so strotzen wie etwa „Yo soy María“. Manchmal geraten Mimik und Stimme der Sängerin dabei geradezu außer Kontrolle — in Momenten etwa, in denen Lemper wilde Grimassen zieht oder Musikinstrumente imitiert, bewegt sich ihre Darbietung an der Grenze zum Lächerlichen.
Doch vielleicht trifft sie damit genau den Nerv dieses Lebensgefühls, das sie ihrem Publikum vermitteln will. Denn Tango setzt schließlich auf die Show, auf das Spiel mit dem Übertriebenen und auf das große Drama. Und mit ihrer eignen dramaturgischen Inszenierung hat die Sängerin durchaus einen Coup gelandet. Ihre Lieder, die sie in Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch präsentiert, werden von detaillierten Beschreibungen verschiedener Szenerien begleitet. So erzählt sie von den Geistern Che Guevaras und Eva Peróns, die ziellos durch die Straßen der Hauptstadt wandeln, oder einem kleinen Jungen, der Rosen verkauft und von einem besseren Leben träumt. Passend dazu folgt darauf das melancholische „Chiquilín de bachin“ von Horacio Ferrer. Am Ende des poetischen zweiten Teils der Show, in dem Lemper sich existenzialistische Fragen stellt, bildet den fulminanten Abschluss eine Interpretation von „Mackie Messer“, bei der sie zu gewohnt jazziger Manier zurückkehrt. Ihr Publikum belohnt ihren eigenwilligen Auftritt mit anhaltendem Applaus und „Bravo“-Rufen.