Ausstellung im K21 Wang Tuo erhält den Global Art Award

Der Chinese Wang Tuo erhält eine Auszeichnung des K21. Zu sehen ist dort eine Schau mit seiner Arbeit „The Second Interrogation“.

Ein Still aus Wang Tuos Video-Installation „The Second Interrogation“.

Foto: Wang Tuo/courtesy of the artist

Die Preisverleihung des Global Art Award von K21 an den Chinesen Wang Tuo kommt gerade recht. Die Szenen in der zweiteiligen Video-Installation spielen zwar in Peking zur Zeit der Zerschlagung der Demokratie-Bewegung im Jahr 1989, aber ihre Fragen lassen sich auf jedes Land auf der Welt anwenden: Ist die Freiheit der Kunst grenzenlos?

„Wer seine Meinung sagt, muss sich mitunter maskieren“, heißt es bei dem 40-jährigen Preisträger. Wang Tuo hofft auf ein kleines Erdbeben.“The Second Interrogation“, „Das zweite Verhör“, ist perfekt in den Dialogen, den Zeitverschiebungen und den filmischen Szenen. Es beginnt mit einem harmlosen Small Talk und vielen Floskeln. Wäre da nicht ein Beleuchtungskörper, der aus der Szene heraus auf uns Zuschauer in der dunklen Kabine im zweiten Stockwerk von K21 strahlt.

Kondome und Münzen
werden in die Luft geworfen

Wir sehen historische Szenen aus dem Nationalmuseum für Kunst in Peking, mit denen wir zunächst nichts anfangen können. Damals, anno 1989, wurde erstmals ein Ausschnitt aus der Avantgarde-Kunst gezeigt, unter der Vorgabe, dass es keine Performances geben dürfe. Wir sehen einen Schwertkämpfer, der lediglich das Schwert zückt, einen Akteur, der Krabben auf der Bühne ausschüttet und einen Kerl, der scheinbar Eier ausbrütet. Lustiger ist es schon für den Zuschauer, wie da Kondome und Münzen in die Luft geworfen werden, als „Ausdruck unterdrückter Begierde“, wie es heißt.

Aber eine Akteurin schießt auch auf ihr Spiegelbild, um die Leute aus ihren Träumen zu holen. Mit diesen Schüssen findet die Avantgarde in China gleichsam ihr Ende. Schon bald wird es spannend. Wir wohnen einem Verhör bei, wo der Zensor mit seinen einfühlenden Worten Vertrauen erzeugt, während der Gegenwartskünstler fast schon fiktiv erscheint.

Der Künstler Wang Tuo.

Foto: Wang Tuo

Tatsächlich beobachtet der eine den anderen. Da vertauschen sich die Rollen, wirkt der Künstler, als habe er die Zensur so verinnerlicht, dass er daran glaubt. Ist nicht der Zensor der gute Geist, der die Freiheit der Kunst verteidigt? Braucht die Kunst einen Deckmantel? Ist die Kunstkritik nur eine Fiktion? Die Selbstbefragung des Kunstsystems ist ein aktuelles Thema, die dazu passenden Reden und Gegenreden wirken wie nebenbei gesprochen. Hier erhebt niemand einen Zeigefinger.

Das Brillante dieser Arbeit von 2022 ist, dass sie mit unterschiedlichen Ebenen der Zeit und der Örtlichkeit spielt. Die Niederschlagung der Demokratie-Bewegung in China geschah fast zeitgleich auf dem Platz des himmlischen Friedens wie in den Hallen des Nationalmuseums. Es geht nicht nur um gesellschaftliche und politische Systeme, sondern immer auch um einen Rollentausch, der ans absurde Theater der 1960er Jahre erinnert.

Gruselig wird es im zweiten Teil, wo ein Selbstmörder von 1989 mit einem von 2005 einen gespenstischen Dialog führt. Die armen Toten parlieren über Kunst und Gesellschaft, über den Beginn der Demokratiebewegung als einem Erdbeben, aber sie fragen sich auch, ob man eine Revolution braucht oder ob man auf kleiner Flamme agieren soll. Ob Künstler oder Zensor, Toter oder Lebender, die Freiheit und ihr jähes Ende werden auf verschiedenen Großbildschirmen verhandelt, die im Abstand zueinander aufgestellt sind, sodass der Zuschauer nicht nur auf seinem Hocker sitzen bleiben darf, sondern sich zumindest ein klein wenig selbst bewegen muss.

Viele Fragen bleiben offen, das ist das Gute in dieser Parabel. Vielleicht können wir ja wie die Chinesen im Video unserer Geschichte gar nicht entkommen. Für unser System spricht immerhin, dass wir im Westen derlei Fragen stellen können. In Peking wäre dies vorerst unmöglich. Tao lebt zwar in Peking, aber er brachte sein Werk in Hongkong heraus.