Museumschef spricht Klartext Winrich Meiszies: „Diese Haltung tut schon weh“
Der 65-Jährige führt seit 25 Jahren das Theatermuseum, im Juli geht er Rente. Sein Haus soll geschlossen werden.
Düsseldorf. Winrich Meiszies (65) ist keiner, der poltert. Grund hätte der Direktor des Theatermuseums: Laut wurde über die Schließung seines kleinen feinen Hauses im Hofgarten gesprochen. Meiszies hält dagegen: „Wir haben gerade ein neues Konzept mit dem Kulturdezernenten abgestimmt.“ Nicht das Filmmuseum sei wie bisher geplant ein neuer Ort, sondern im zukünftigen Depot am Konrad-Adenauer-Platz 1 solle ein „Dumont-Lindemann-Zentrum für Darstellende Künste“ (DLZ) entstehen.
Als Kooperationspartner nennt Meiszies Stadtarchiv, Stadtbüchereien, Medienzentrum Rheinland, Capitol-Theater, Schauspielhaus, FFT und Tanzhaus NRW. Er selbst wird diesen Schritt nicht mitgehen: Am 1. Juli beginnt sein Ruhestand. Fast 40 Jahre hat der promovierte Theaterwissenschaftler als Student, als Mitarbeiter und die vergangenen 25 Jahre als Direktor das Museum geprägt. Seine Stelle ist gestrichen.
Herr Meiszies, das Theatermuseum soll geschlossen werden. Wie fühlt sich das für Sie an?
Winrich Meiszies: Es kann gar nicht um eine Schließung gehen. Das ist so eine journalistische Masche. Dagegen steht die Bedeutung unserer Arbeit im nationalen und internationalen Maßstab. Es geht um eine Konzentration der Kräfte — wenig genug, aber immerhin. Wir suchen neue Partner in der Stadt.
Für die Stadt ist es ein Sparmodell.
Meiszies: Ich habe Sparen nie als Bedrohung empfunden, sondern als Möglichkeit, Potenziale auszunutzen. Man muss gemeinschaftlich als Verbund der Häuser überlegen, wie wir was einsetzen können. Als Einzelner können Sie sich irgendwann nur noch fragen, machen wir die Ausstellung oder die Reklame zur Ausstellung.
Was ist die Marschrichtung?
Meiszies: Die Fusion mit dem Filmmuseum lässt sich aus finanziellen Gründen nicht realisieren. Wenn man die Konstruktion ernst nimmt, kann man nicht zwei Bereiche wie Theater und Film einfach nur zusammenpappen. Die Themen müssen sich inhaltlich durchdringen. Das wäre eine spannende Entwicklung, dauert aber und ist nicht zum Nulltarif zu haben.
Sie sind ein Haus für freie Gruppen. Fällt das weg?
Meiszies: Ganz im Gegenteil. Die Publikumsorte sind ganz wesentlich und werden es auch mit anderen Partnern sein.
Die zugesagte Dachsanierung ist auch ausgesetzt. Ein Zeichen, dass man hier nicht mehr investieren will?
Meiszies: Wir können hier arbeiten, es herrscht keine konkrete Einsturzgefahr. Es wäre aber natürlich gut, wenn man einen Plan über die Abläufe hätte. Diese Haltung tut schon weh, es spricht nicht gerade eine große Wertschätzung daraus, aber anderen geht es schlechter.
Sie haben immer gesagt, dieses Haus habe Potenzial.
Meiszies: Ich zweifele nicht daran — und auch in dieser Stadt hat es Potenzial. Solche Einrichtungen stehen ja weiß Gott nicht an jeder Straßenecke. Theater ist von der Öffentlichkeit hoch subventioniert. Wir meinen, dass die Leistungen irgendwo dokumentiert werden sollten. Es geht dabei nicht nur um die Künstler, sondern auch um die Geldgeber.
Hat sich Ihre Lage in den vergangenen Jahren sehr verschlechtert?
Meiszies: Es war immer die Verwaltung des Mangels. Gerade in so einem Orchideenthema wie Theatergeschichte und Theaterentwicklung hören die meisten Leute nicht gerne zu, weil sie denken, sie müssten Jahreszahlen auswendig lernen.
Sie wollen erklären, wie Theater funktioniert. Wie denn?
Meiszies: Hm. Ich habe einen großen Teil meines Berufslebens verbracht, ohne eine Aussage dazu zu haben. Es gibt einen Begriff, ein anderes Wort für Theater, in dem alles zusammenfließt: Veränderung.
Warum?
Meiszies: Wenn wir ins Theater gehen, verändern sich Menschen in eine Figur, der Raum verändert sich, der schwarze Kasten wird zum Wald von irgendwo, und, was das Spannendste ist, während wir diesen Veränderungen zuschauen, verändern wir uns selbst noch einmal. Veränderung ist ja ein Prinzip des Lebens, selbst wenn wir dazu neigen, Dinge festzuhalten. Für mich spiegelt Theater wie keine andere Kunstform das Prinzip des Lebens.
Ist es nicht paradox, dass Sie im Museum die Veränderung bewahren wollen?
Meiszies: Ja, auf jeden Fall. Was der Vorteil des Museums ist: Wir sind in der Lage, die Zeit anzuhalten. Wie etwa mit diesen Momentaufnahmen von Lore Bernbaum, die wir zurzeit zeigen. Dieses reflexive Moment liegt nicht im gesellschaftlichen Trend, von daher sehe ich Museum schon fast als Kampfbegriff an. Das Museum ist ein Prinzip, das gegen all das steht, was uns umgibt — den schnellen Konsum, das Geschwätz von gestern, das morgen schon nicht mehr gilt.
Welche Rolle hat Gustaf Gründgens für Sie gespielt?
Meiszies: In der Beschäftigung mit seinen Texten habe ich das meiste über Theater gelernt. Gründgens hatte eine Gabe, Prozesse am Theater zu beschreiben, dass man auf einmal versteht, worum es geht. Er sagt zum Beispiel: „Die Häuser, die ich bespiele, schreiben mir den Spielplan vor.“ Das ästhetische Programm hat eine materielle Basis in den Bauten und Publikumsverhältnissen.
Sie bieten die Möglichkeit, sich an Theatererlebnisse zu erinnern, an einen bestimmten Schauspieler oder eine Inszenierung.
Meiszies: Zu wenig bislang, wir haben aber ein Konzept in der Schublade, mit Theaterbesuchern ins Gespräch zu kommen. Wir wollen fragen: Was nimmst du als Besucher aus der Aufführung mit? Was schafft die Veränderung in dir? Das werden meine Kollegen fortsetzen.
Sie nicht mehr?
Meiszies: Ich muss erst einmal probieren, gar nichts mehr zu machen. Vielleicht werde ich mir später mal die Zeit nehmen, einzelne Dinge aufzuarbeiten, die liegengeblieben sind.