Interview Zingsheim geht ins Konzert

Düsseldorf · Die Konzertreihe in der Tonhalle „Ehring geht ins Konzert“ wird dieses Jahr von Gastmoderatoren übernommen. Musiker und Kabarettist Martin Zingsheim ist einer von ihnen und spricht über Kunstmusik, Kleinkunst, seine Versuche als Komponist und das Blockflötentrauma.

Martin Zingsheim übernimmt die Moderation der Konzertreihe von „Ehring geht ins Konzert“ in der Tonhalle.

Foto: Tomas Rodriguez

Klassische Konzerte können mitreißen, begeistern – sind oft viel spannender oder auch unterhaltsamer als ihr Ruf. Wobei man gerne mal nachfragen wollen würde, woher dieser Ruf denn kommen mag, wenn es ihn denn wirklich gibt.

Ein Format in der Tonhalle, das Unterhaltung und klassische Musik aber explizit auf bisweilen humoristische Weise zusammenbringen möchte, ist „Ehring geht ins Konzert“. Nun, Ehring macht in der Tonhalle ein Sabbatjahr und die Konzerte dieser Saison werden von anderen moderiert. Von Kollegen, also Kabarettisten oder Kollegen im Geiste, wenn es darum geht, Kunstmusik auf möglichst zündende Weise mit Moderationen zu verpacken. Neben Anke Engelke, Torsten Sträter, Marco Tschirpke und René Heinersdorff ist einer von ihnen der Musiker und Kabarettist Martin Zingsheim.

Ein guter Grund, mit dem 1984 in Köln geborenen Künstler, der obendrein auch noch Geisteswissenschaftler ist, humorig zu plaudern: über Musik, Blockflöten und rollende Totenschädel.

Herr Zingsheim, Sie moderieren eines der Konzerte in der Reihe „Ehring geht ins Konzert“ in der Tonhalle Düsseldorf. Was macht dieses Konzertformat für Sie besonders – mussten Sie lange überlegen, ob Sie zusagen?

Martin Zingsheim: Ehrlich gesagt musste ich da nicht lange überlegen. Erstens ist es mir eine große Ehre, den wunderbaren Kollegen Ehring zu vertreten, zweitens sind Programme mit Orchestern immer meine  Highlights im ganzen Tourneeplan und drittens habe ich vier Kinder und kann auch das Geld daher ganz gut brauchen.

Sie sind Musiker, Geisteswissenschaftler und Kabarettist zugleich, fühlen sich im politischen Kabarett genauso zu Hause wie in der Welt der Kunstmusik. Schlagen zwei Herzen in ihrer Brust oder gibt es Bezugspunkte zwischen den Welten?

Zingsheim: Wahrscheinlich schlagen sogar vier bis fünf Herzen in meiner Brust, weil ich mich leider für so ziemlich alles begeistern kann. Von Politik bis franko-flämischer Vokalpolyphonie, von Sloterdijk bis Katzenvideos. Aber ja, lange Zeit dachte ich, das mit der Musikwissenschaft hätte ich mir jobtechnisch auch echt mal sparen können. Aber mittlerweile darf ich zum Glück ständig moderierend durch Konzertprogramme führen und merke zunehmend, dass das sogenannte klassische Konzert der vielleicht ideale Rahmen sein kann auch für meine eigene wilde Mischung aus Musikvermittlung und wahnsinnigem Quatsch.

Wann und wie haben Sie zur Musik gefunden und wie kam der Weg zum Kabarett?

Zingsheim: Ich habe wie viele andere Kinder der 80er Jahre auch das Blockflötentrauma durchlaufen und dann irgendwann den Absprung in Richtung echte Instrumente – in meinem Fall Trompete und Klavier – geschafft. Seitdem ich zwölf bin, komponiere ich mal mehr mal weniger vor mich hin und hatte lange Zeit den festen Wunsch, einmal ein richtig seriöser Neue-Musik-Komponist zu werden. Wie andere in die Drogenszene abrutschen, bin ich schließlich irgendwie in der Kleinkunst gelandet, habe lange Zeit andere Künstler am Klavier begleitet und seitdem ich mich 2011 selber mit meinen Texten und Liedern auf die Bretter gewagt habe, ging alles sehr schnell.

Kann Humor helfen, Menschen an Musik heranzuführen?

Zingsheim: Humor kann immer helfen. Bei schlechten Wahlergebnissen, Liebeskummer und Klimakrise. Erstklassige Musik spricht natürlich auch wunderbar für sich ganz allein, aber ein schallendes Lachen öffnet meiner Meinung nach gleichermaßen Herz, Hirn, Aug und Ohr und ist daher bei Weitem nicht die schlechteste Abendbegleitung. Und da wir Kabarettisten ja textlich immer nah am tagesaktuellen Puls der Zeit sind, lässt sich auch der ein oder andere ganz, ganz neue Blick auf eine vermeintlich alte Komposition werfen. Nicht zuletzt waren auch einige Komponisten ziemliche Scherzkekse, man denke nur an Mozarts Briefe beispielsweise.

Sie haben über Karlheinz Stockhausen promoviert – wie kann es gelingen, mehr Menschen für zeitgenössische Musik zu begeistern?

Zingsheim: Das könnte die extrem spannende zeitgenössische Musik ganz alleine schaffen, würde man sie nicht in ihrem Neue-Musik-Ghetto gefangen halten, nicht salbungsvoll zu Tode labern und vielleicht mal auf Kompositionstitel verzichten, die 85 Prozent der Bevölkerung noch vor dem ersten gehörten Ton vermitteln: Obacht, jetzt kommt aber was ganz Kompliziertes. Die Neue Musik ist sehr viel rockiger, anschlussfähiger und wilder als ihr zu Unrecht verkopfter Ruf. Und man muss die meisten Stücke einfach live hören, Radio und CD sind da leider oft nicht viel mehr als akustische Postkarteneindrücke.

Gibt es Musik oder Komponisten, die Sie besonders inspirieren, und wenn ja, welche sind es und warum?

Zingsheim: Nix gegen Beethoven, aber besonders häufig heißt es bei mir persönlich ja: Entweder ganz neu oder ganz alt. Bei Josquin Desprez halte ich stets fassungslos gebannt den Atem an, auch wenn mich die katholische Liturgie sonst ziemlich kalt lässt. Absolut mitreißend und im positiven Sinne total durchgeknallt war zuletzt aber auch eine Uraufführung von Christoph Maria Wagner, einem großartigen Kölner Komponisten. Das Stück heißt „Der rollende Totenschädel“, und genau so klingt es auch. Vielleicht das Krasseste, was es für Bariton überhaupt zu singen gibt.

Es ist noch ein bisschen hin, aber können Sie uns schon verraten, was wir bei „Zingsheim in der Wüste“ am 26. Januar erleben dürfen?

Zingsheim: Auf jeden Fall eine gewagte musikalische Mischung mit zeitlichen, geografischen und stilistischen Grenzüberschneidungen ganz nach meinem Geschmack. Und für alle, die im Vorfeld immer ein bisschen beruhigt werden müssen – ja, auch ein bisschen Mozart haben wir sicherheitshalber mitreingepackt. Aber eben auch etwas angeblich Arabisches aus der Feder eines Norwegers, etwas latent Italienisches von einem Franzosen, und obendrein steht auch noch eine Schalenhalslaute im Mittelpunkt des Geschehens. Ehrlich gesagt bin ich jetzt fast selber gespannt.