Literaturkritiker: Lustvolle Kritik in Kaiserswerth
Literaturkritiker Denis Scheck räumt im Mutterhaus auf mit den Bestsellerlisten.
Düsseldorf. Wer hinten sitzt im ausverkauften Saal des Hotel Mutterhaus in Kaiserswerth sieht Denis Schecks markantes Fernsehgesicht klein und in weiter Ferne. Was ihnen bleibt, ist das sonore Schwäbeln, mit dem Scheck vorliest und zitiert, mahnt, warnt und empfiehlt. Das reicht, denn der Literaturkritiker ist gekommen, um Orientierung im Bücherdschungel zu geben. Sein erster Tipp: „Die zehn erstgenannten Bücher der Bestsellerliste sind nichts als eine Warnung für Buchleser“, sagt die selbst ernannte Stiftung Warentest für Bücher.
Und ab jetzt bekommt das Publikum, was es erwartet: Lustvolles Zerreißen, kraftvolles Draufhauen und gnadenloses Enttarnen von Kitsch und Blödheit. Schecks Lust darauf und die Freude des Publikums daran sind ehrlich. Sicher, um zu erkennen, das Sätze wie: „Die Trennung von meiner Frau hat nichts mit ihrer Person zu tun“ nicht zwingend zwischen Buchdeckel gepresst gehören, dafür braucht es keinen Literaturkritiker.
Andererseits hätten die meisten der 200 Besucher sonst wohl nie von diesen Perlen der Sinnlosigkeit erfahren, die Scheck gerne vorstellt. Das Zitat stammt übrigens von Oliver Kahn, der erstaunlicherweise bereits sein viertes Buch auf den Markt gebracht hat.
Selber Romane verfassen, das will er nicht. Scheck ist Kritker. Nicht, weil es ein Traumberuf ist, sondern weil einer den Job ja machen muss. „Wir leben viel zu sehr in einer Wohlfühlgesellschaft“, sagt er, „und ich bin da mehr so der konfrontative Typ.“ Überhaupt, das Leben als Berufskritiker hat auch so seine Schattenseiten.
„Wenn sie sich mal fühlen wollen wie ein Literaturkritker, dann beugen sie sich doch mal über einen Kinderwagen und sagen danach zu den Eltern: Mein Gott, ist das Kind aber häßlich.“ Aber natürlich hat Scheck nicht nur Negatives im Gepäck. In seiner Liste der zehn meistverkauften Romane in Deutschland aller Zeiten stellt er — unter anderem — echte Lesetipps vor.
Darunter auch „Sie“, einen Abenteuer-Mystik-Roman von Henry Rider Haggard aus dem 19. Jahrhundert, das er gleich dem Literaturwisschenschaftlichen Instititut der Heine-Universität für ein halbjähriges Seminar empfiehlt. „Man kann aus diesem schmalen Roman alles an kolonialistischer Denkweise herauslesen, was es zu finden gibt“, sagt er.
Außerdem freut er sich, das es „endlich funktionierende Unterhaltungsliteratur aus Deutschland gibt.“ Als Beispiel nennt er Frank Schätzings neuen Roman „Breaking News“ oder Jörg Maurers Garmisch-Partenkirchener Krimis. „Ich war hin und weg, habe mich beömmelt“, gibt der Kritiker zu. Nach 90 Minuten zwischen Bedeutung, Witz und Information gibt es für den gar nicht so bösen Kritiker viel Applaus vom Publikum.