Mit 14 hinter Gittern: Junge Diebe suchen die Stadt heim
Sie geben vor, Spenden zu sammeln, aber stehlen. Seit März gab es zig Taten. Vier Mädchen sitzen in U-Haft.
Düsseldorf. Mit Klemmbrettern und angeblichen Spendenlisten ziehen sie los. Sie geben vor, taubstumm zu sein. In Cafés werben sie um Hilfe für behinderte Kinder. Mit ihrem Klemmbrett verdecken sie Smartphones, die die arglosen Opfer auf den Tisch gelegt haben, und stecken sie blitzschnell ein. Oder sie umarmen einen gütigen Spender — und ziehen ihm dabei die Geldbörse aus dem Mantel.
Seit Anfang März fallen Kinder- und Jugendbanden aus Rumänien mit dieser Masche in Düsseldorf ein. Zig Taten gab es schon. Jetzt sitzen vier Mädchen in Untersuchungshaft. Das jüngste von ihnen ist 14 Jahre alt.
„Alle vier waren mehrfach aufgefallen — in ganz NRW“, erklärt Wolfgang Wierich, Leiter des Jugendkommissariats. „Und: Wir hatten Fluchtgefahr als Haftgrund.“ Eine wichtige Voraussetzung für einen Haftbefehl, der gerade bei Jugendlichen nicht leicht zu erwirken ist. Die Mädchen hatten angegeben, bei Verwandten im Ruhrgebiet zu Besuch zu sein. Die Namen dieser Verwandten allerdings konnten sie nicht angeben. Wierich: „Das sind ganz klar Scheinadressen.“
Die jungen Diebinnen — neben der 14-Jährigen eine 16- und zwei 17-Jährige — waren offensichtlich überrascht, als ihnen Ende der vergangenen Woche die Haftbefehle verkündet wurden. Eigentlich, so scheint es, hat sich unter den jungen Banden herumgesprochen, dass man im Falle einer Festnahme kurz verhört und dann zum Kinderhilfezentrum an der Eulerstraße gebracht wird. Dort dürfen die Kinder und Jugendlichen nicht gewaltsam festgehalten werden und verschwinden wieder.
Sie kommen aus Oberhausen oder Duisburg, neuerdings auch aus Essen. Sie gehören offenbar nicht zu einem Clan, agieren unabhängig voneinander. „Wir haben eine Vielzahl von Tatverdächtigen, die in unterschiedlicher Gruppenstärke unterwegs sind“, erklärt Wolfgang Wierich. 13 bis 21 Jahre alt sind sie — und wissen mit der Polizei umzugehen. „Sie sind überhaupt nicht geständig; geben nur zu, was man ihnen zweifelsfrei nachweisen kann. Sie sind abgebrüht.“
Und ganz offensichtlich organisiert. Dafür spricht auch, dass nach den Haftbefehlen keine falschen Spendensammler am Wochenende nach Düsseldorf kamen. Die Drahtzieher waren wohl abgeschreckt. Am Dienstag wurden dann erneut zwei Mädchen und zwei Jungen (13, 15, 16 und 21 Jahre alt) festgenommen — doch die Ermittler bekamen für sie keine Haftbefehle, mussten sie laufen lassen.
Die Düsseldorfer Polizei hat dann keine weitere Handhabe. In den Familien der Kinder und Jugendlichen nach dem Rechten zu sehen oder auch minderjährige Mehrfachtäter aus diesen Familien herauszunehmen, ist Sache des Jugendamtes in den angeblichen Heimatstädten. Doch weder die Staatsanwaltschaft Duisburg, noch Jugendamt oder Polizei Oberhausen kennen das Phänomen der falschen Spendensammler. „Das ist hier noch nicht aufgefallen“, sagt etwa Uwe Spee von der Stadt Oberhausen auf WZ-Anfrage. Die Banden sind wohl clever genug, nicht in ihrem direkten Umfeld aufzufallen.
Im Düsseldorfer Jugendkommissariat sind daher jetzt zwei Sachbearbeiter abgestellt, um ausschließlich die Klemmbrett-Masche zu bearbeiten. „Wir werden strukturell vorgehen, Taten den Personen zuordnen, alles bündeln und dann an die Staatsanwaltschaften in den jeweiligen Städten geben“, erklärt Wolfgang Wierich. Durch die Zusammenarbeit sollen die jungen Täter endlich aus dem Verkehr gezogen werden.