Musik, Lesung und falsch zugeordnete Zitate
Marc-Uwe Kling liest in der vollen Tonhalle aus seinem neuen dystopischen Roman Qualityland.
Auf der für diesen Anlass etwas überdimensionalen Bühne der Düsseldorfer Tonhalle steht nur ein Tisch, eine Gitarre und ein Bass mit Hocker. Marc-Uwe Kling braucht nicht viel, nur sein neues Buch und die obligatorische Schiffermütze. Das Kulturzentrum Zakk hatte ihn für Mittwochabend eingeladen und mitgebracht hat der Künstler eigentlich zwei neue Bücher. Unterstützt wird er von dem Bassisten Boris the Beast.
„Qualityland“ heißt der Roman, in dem Marc-Uwe Kling die Zukunft eines technisierten, geschichtsvergessenen und durchrationalisierten Landes zeichnet. Für alles gibt es einen privaten digitalen Assistenten wie etwa den Ohrwurm, der seinem Besitzer alle möglichen Informationen einflüstert. Von dieser schönen neuen Welt hat Peter, ein sympathischer Maschinenverschrotter, langsam genug.
Nachdem ihn seine Freundin aus Karrieregründen verlassen hat und sich seine beruflichen Zukunftsaussichten nicht bessern, wird Peter zu einem „Nutzlosen“. In „Qualityland“ wird die Bevölkerung in Levels eingeteilt, mit der viele Privilegien einhergehen. Doch auch manche Maschinen zweifelt: Eine Drohne mit Flugangst oder die Androidin Kalliope, die als Poetin programmiert wurde und eine Schreibblockade hat.
Kling ist vielen durch seine Känguru-Triologie bekannt. Auch hierbei überzeugte er live mit den unterhaltsamen Lesungen über das kommunistische Känguru, das mit ihm in einer Kreuzberger WG wohnt. Der wirtschaftliche Erfolg der Bücher birgt jedoch auch ein Problem: „Was mit meinem Konto passiert, ist nicht mehr ganz das, was ich hier auf der Bühne vertrete“, sagt er. Die Hälfte der Tour-Einnahmen spende er deshalb, und das Publikum kann in der Pause abstimmen, wofür.
Der Autor hat viele Rollen: Liedermacher, Kabarettist, Kinderbuchautor, Erfinder von Spielen, Macher eines Kalenders mit falsch zugeordneten Zitaten. „Kleinkünstler“ jedoch — das sollte jeder Känguru-Leser wissen — ist ein verbotenes Wort. In der Tonhalle erzählt er Anekdoten und greift zur Gitarre, um mit Boris einen Song zu spielen. Fehlen dürfen auch nicht die falsch zugeordneten Zitate: „Hey, hier kommt Alex! Vorhang auf, für seine Horrorshow. Von Alexander Gauland.“ Sein neues Buch „Qualityland“ kommt in zwei individualisierten Ausgaben: „hell“ und „dunkel“.
Kling schafft es, einem althergebrachten Format wie dem gedruckten Buch neue Frische zu verleihen. Alle paar Seiten informiert ein Reiseführer über die Produkte und Eigenschaften Qualitylands. Bassist Boris spielt dann eine kleine Melodie und spricht „Werbung“ in das Mikro. Dieser „Newsfeed“ unterscheidet sich: Die helle Ausgabe ist eher für positiv gestimmte Menschen. In „Qualityland“ gibt es etwa individualisierte Literatur, die sich nach den Bedürfnissen der Leser richtetet: Während in der hellen Ausgabe „Die Freuden des jungen Werthers“ beworben wird, empfiehlt die dunkle Ausgabe eine geänderte Version Kafkas „Der Prozess“.
Mit „Qualityland“ beweist Kling wieder einen präzisen Blick auf unsere heutige Gesellschaft, Politik und Wirtschaft. Die Grenzen zum in düsterer Zukunft liegenden „Qualityland“ und unserer heutigen Realität jedenfalls verschwimmen.
marcuwekling.de