Düsseldorf Nachts in Düsseldorf: "Entschuldigung, fühlen Sie sich sicher?"

Laut Polizei ist es um die gefühlte Sicherheit schlecht bestellt. Wir haben dazu Leute befragt, die nachts noch auf der Straße sind.

Nicht gerade der angenehmste Ort, weder bei Tag noch bei Nacht: die Unterführung der Ellerstraße unterhalb der Bahngleise.

Foto: Melanie Zanin

Düsseldorf. Es ist einer dieser Abende, die sich schon fast wie Frühling anfühlen. Dienstag, 22 Uhr, stockdunkel, aber mild. Vielleicht nicht gerade die normale Uhrzeit für einen Spaziergang durch den Park. Aber genau das machen wir heute.

Warum? Wir suchen die Mutigen. Die aktuelle Kriminalitätsstatistik der Polizei im März hatte ergeben, dass sich die „gefühlte Sicherheit“ der hiesigen Bürger verschlechtert hat — obwohl Düsseldorf insgesamt sicherer geworden ist, betrachtet man die Zahl der Straftaten. Beispiel Taschendiebstähle: Im Vergleich zu mehr als 8000 Fällen in 2016 waren es 2017 nur noch 5850. So wenig, wie seit fünf Jahren nicht mehr. Auch gab es weniger Straßenkriminalität und weniger Sexualdelikte wurden angezeigt.

Wir wollten nun diejenigen finden, die nachts da sind, wo andere sich nicht hintrauen: auf die Straße, in den Park, an die Bahnstation. Wir treffen viele Jüngere, manche Ältere, und auch eine Frau, die vor drei Monaten erst überfallen worden ist.

Vera Kranz (30) läuft immer die Maximilian-Weyhe-Allee außen am Hofgarten entlang, so auch heute Abend. Sie ist mit einer Freundin unterwegs, von der Stadt in Richtung nach Hause. Durch den Hofgarten selber gehe sie eher selten, sagt sie, habe sie aber auch schon gemacht. „Der Park ist ja nun mal berühmt berüchtigt. Ein richtig gutes Gefühl hatte ich dabei nicht. Keine Ahnung, warum ich da überhaupt reingegangen bin.“ Sie hat auch mal, wenn es sehr spät in der Altstadt geworden ist, das Heimweg-Telefon ausprobiert. (mehr dazu siehe Kasten) Das sei eine gute Sache.

Auch Lija Brinkmann (23) und Johannes Quach (28) spazieren Arm in Arm durch den dunklen Park, an der Nördlichen Düssel entlang Richtung Märchenbrunnen. Angst? „Na, sie passt ja auf mich auf!“, ruft Quach. Sie lachen. Nein, Angst habe Lija Brinkmann hier auch alleine nicht. „Ist ja nicht wie am Hauptbahnhof“, sagt sie. Den Hofgarten jenseits der Maximilian-Weyhe-Allee oder der Hofgartenstraße würde sie alleine aber meiden. „Keine Ahnung, das Stück hier finde ich nicht schlimm.“ Ob die beiden ein Paar sind? Nein. Oder, nun ja, auf dem besten Weg dazu. Kichern. Dann gehen sie weiter, Arm in Arm.

Wie sicher wirkt Düsseldorf ohne Vorwissen? Zwei Studenten aus Belgien sind ebenfalls an der nördlichen Düssel unterwegs, das Pärchen Bo Beintema (23) und Elias Vanhaverbeke (22) ist zum ersten Mal hier, Kurzurlaub. „Sollten wir uns unsicher fühlen? Nein, also den Eindruck haben wir gar nicht“, sagt sie. „Ich fühle mich hier sehr gut.“ Sie und ihr Freund waren gerade in der Altstadt und gehen jetzt nach Hause.

Ortswechsel. Die Unterführung der Ellerstraße unterhalb der Bahnschienen. Tagsüber ist es hier sehr finster, abends dagegen fast erfreulich hell. Die Cafés rund um die Ellerstraße sind um kurz vor 23 Uhr schon alle geschlossen, auf der Straße sind kaum Menschen zu sehen. Eine Gruppe von drei jungen Frauen geht durch die Unterführung Richtung Hauptbahnhof. Sie kommen von der Arbeit und wollen nach Hause. „Jetzt finde ich es noch okay, mit zwei anderen, noch später würde ich hier auf keinen Fall alleine langgehen“, sagt eine 28-Jährige, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Ihre zwei Begleiterinnen sind deutlich jünger. Wirklich wohl scheinen sich die Drei nicht zu fühlen, eine zieht die Kapuze tief ins Gesicht, schnellen Schrittes geht es weiter.

Nächste Station: die S-Bahn-Haltestelle Volksgarten. Oben auf dem ewig langen und dunklen Bahnsteig ist niemand zu sehen. Ob es jemand mitbekäme, wenn hier um Hilfe gerufen würde? Jana Raabe (46) glaubt das nicht. In ihrem Fall auch nicht nötig, sie hat ihren Mann Alexander dabei. Und der ist sehr groß und wirkt sehr stark. Die beiden kommen gerade von einem Konzert im „Pitcher“ an der Oberbilker Allee, ihrer Lieblingskneipe. Dafür fahren sie gern von Urdenbach in die Innenstadt, auch an einem Dienstagabend. Jana Raabe will von gefühlter Sicherheit nichts wissen. „Mal ehrlich: Ich habe nicht das Gefühl, dass sich seit meiner Jugend irgendetwas verändert hat. Es ist nicht unsicherer geworden, bestimmt auch nicht sicherer. Wir haben zwei Söhne, 13 und 18 Jahre. Natürlich mache ich mir Sorgen, Jungs können genau so in Schwierigkeiten geraten, nur eben andere Schwierigkeiten als Mädchen. Aber was sollen wir machen? Sie einsperren? Sicher nicht. Die Leute bekommen heute nur mehr auf allen möglichen Kanälen mit.“ Dann gehen sie hoch zur Bahn.

Eines fällt in dieser Nacht auf: Es sind überwiegend junge Menschen, die noch unterwegs sind. Oder Junggebliebene wie die Raabes.

Kim Carsten ist 25 Jahre alt, recht klein, zierlich und sehr dunkel gekleidet. Sie spaziert mit einem guten Freund — der ebenfalls mehrere Nuancen von Schwarz trägt — die Oberbilker Allee entlang, inzwischen ist es 23.30 Uhr. Sie hat gerade Feierabend. „Ich fühle mich hier nachts auch alleine sicher, weil immer Menschen in der Nähe sind. So richtig ausgestorben ist es hier ja nie.“ Das sei ganz anders in Unterrath, wo sie mal gearbeitet hat. Da habe sie mehrere unangenehme Situationen erlebt, sei aus Autos heraus angesprochen worden, und niemand sei weit und breit zu sehen gewesen, der ihr hätte helfen können.

Hilfe hätte auch Andrea Kischel gebraucht. Vor drei Monaten wurde sie an der Klosterstraße/ Ecke Oststraße überfallen. Die Handtasche mit Handy, Geldbörse, Tablet-PC war weg. Wir treffen sie in der U-Bahn-Station Kirchplatz, kein klassischer Angstraum, hier fühlt sie sich sicher. Die Klosterstraße habe sie seit dem Überfall aber gemieden. „Ich merke schon, dass ich mich seitdem etwas öfter umschaue, nicht mehr so selbstverständlich gut fühle. Aber ich lasse es mir auch nicht nehmen, weiter alleine unterwegs zu sein. Das muss für eine Frau immer möglich sein.“ Sie kommt gerade vom Mädelsabend, wie sie sagt. Eine ihrer Freundinnen habe einen Sohn von 13 Jahren, der nicht alleine ins Kino gehen darf. Das kann sie nicht verstehen, sagt sie kopfschüttelnd — trotz ihres Erlebnisses.