Sommerserie Ein schöner Tag auf der Insel Hombroich

Düsseldorf · Das Paradies auf Erden mit 1700 Meisterwerken der bildenden Kunst liegt am Rande von Neuss auf 63 Hektar Land.

Ein Naturspektakel auf der Museumsinsel sind drei Sumpfzypressen von Mammutformat. Sie haben Höhen von knapp 40 Metern und sind Naturdenkmäler.

Foto: Burkhard Damm

„Kunst parallel zur Natur“ ist das Leitmotiv der Stiftung Insel Hombroich. Was heißt das angesichts von 42 Kultur- und Kunstbauten in einer Landschaft von 63 Hektar Grundfläche? Was bedeuten 25 Hektar Museumsinsel und 11 Hektar Raketenstation sowie all die Gebäude dazwischen, wie Kirkeby-Kapellen und Feld-Haus, zu denen in der Nachbarschaft die Langen Foundation und der Schütte-Pavillon hinzukommen? Was macht die Einmaligkeit dieses Gebiets aus, so dass jährlich 80.000 Gäste zur Kunst, in den Kräutergarten und zu den 200-jährigen Bäumen pilgern?

Die Anfahrt nach Neuss-Holzheim  ist für Autofahrer über A 46 und 57 ideal, für Nicht-Motorisierte beschwerlich. Sie können ihr Fahrrad in den Regionalzug zum Bahnhof Holzheim nehmen und müssen dann noch drei Kilometer strampeln. Es gibt auch einen Bus, wenn er nur käme.

Wo die vom Braunkohle-Tagebau erwärmte Erft austritt, ist sie so warm, dass tropische Gewächse gedeihen. Meta und Lovis sind stolz darauf.

Foto: Helga Meister

Ein Idealbild mit Wiesen, Wasserflächen und Auen

Landschaftsarchitekt Burkhard Damm im neuen Blütenmeer auf der Museumsinsel.

Foto: Helga Meister

Der Garten- und Landschaftsarchitekt Burkhard Damm, Leiter von Park und Gebäuden der Stiftung, steht auf der Terrasse hinter dem Kassenhaus der Museumsinsel. Er blickt auf eine weite, paradiesische Auenlandschaft. Doch dann reagiert er trocken: „Das ist ein Idealbild mit Wiesen, Wasserflächen und Kopfweiden. Aber es ist keine natürliche Landschaft,  auch wenn sie so natürlich daherkommen mag.“ Wie das? Ein riesiges Ökotop, mit Naturdenkmälern, und dennoch eine künstliche Landschaft?

Blick in den Tadeusz-Pavillon, der vor drei Jahren saniert worden ist und nun ein wunderbares Licht und beste klimatische Bedingungen hat.

Foto: Burkhard Damm

2001 war Damm mit 31 Jahren auf die Insel gekommen, der Praktiker als Nachfolger des Idealisten Bernhard Korte. Er stieß auf „lauter Kraut und Rüben“, wie er sagt. Die Brennnessel waren 2,50 Meter hoch. Ahornbäume machten sich breit. Das Gehölzdickicht verstellte den Blick. Die Ursache: „Die Flächen wurden jahrzehntelang mit Schweinegülle gedüngt, so dass das Unkraut alles platt machte.“

Der Inselgründer Karl-Heinrich Müller, der rund 90 Millionen Euro in Gebäude, Kunst, Grund und Boden steckte, hatte sich blühende Wiesen wie im Park Giverny von Claude Monet gewünscht. Wie sollte Damm einen solchen Garten herbeizaubern, und das auch nur mit zwei Gärtnern? Er machte etwas scheinbar Einfaches. Er ließ jahrelang mähen, denn die Disteln und Brennnesseln entzogen dem Boden die Nährstoffe. Jetzt streichelt er über die blühenden Sträucher, egal, ob Wiesenknöterich, Wiesen-Iris, Blutweiderich oder Mädesüß. Alles vermehrt sich inzwischen von selbst.

Der Fachmann hält nichts von der Parole, dass die Natur alles richtig mache. Er wollte kein Unkraut und keinen Wald, der alles unter sich begräbt. Er wollte Müllers Traum von einer artenreichen, offenen, ästhetischen Ideallandschaft als vielfältigen Lebensraum für Pflanzen und Tiere verwirklichen. Er ging systematisch vor und strukturierte die Gegend.

Wer vom Kassenhäuschen kommt, hat die offene Landschaft, danach den historischen Park mit den unterschiedlichen, auch exotischen Gehölzen und zuletzt den ehemaligen Küchengarten vom Rosa Haus vor sich. Der mittlere Teil des Parks datiert von 1814. Dessen Bäume sind riesengroß. Eine Sumpfzypresse von fast 40 Meter Höhe musste wegen Bruchgefahr etwas gekürzt werden. Neben diesem alten Baumbestand gibt es ein Gelände, das um 1900 mit der Begradigung der Erft hinzugekommen ist. Inzwischen wachsen drei Generationen von Bäumen, die jüngsten Pflanzungen mitgezählt.

Mehr Wind auf der Raketenstation als auf der Insel

Während die Aue feuchte Böden hat, wobei die Erft wegen des Braunkohleabbaus von Rheinbraun durch Pumpen in ihr Bett gebracht werden muss, hat die Raketenstation eine andere Bodenbeschaffenheit, ja sogar ein anderes Lokalklima. Das Gelände liegt rund 35 Meter höher als die Museumsinsel. Als Damm hier anfing, stieß er auf einige Schwarzkiefern und siedelte neben weiteren Kiefern auch Eichen und Birken an. Heute freut er sich über seine Solitäre: „Die Birke ist ein Bodenpionier, der offene Böden besiedelt. Die Eiche ist wichtig für viele Lebensgemeinschaften,“ sagt er. Der dritte Baum ist die Kiefer, die in ihrem Wachstum auf den Wind reagiert. Am Parkplatz stehen sie alle nebeneinander: Eiche, Kiefer und Birke.

Ateliers, Tonstudios und spektakuläre Solitärbauten

Nun steht die Natur weder auf der Insel noch auf der Raketenstation für sich allein, sondern im Dialog mit den klaren, kubischen, begehbaren Gebäude-Skulpturen des Bildhauers Erwin Heerich. Die Natur wie die alten Steinfassaden der neuen Gebäude ergeben eine fast selbstverständliche Einheit. Die militärischen Aufbauten sind längst zu Ateliers für Maler, Bildhauer, Dichter und Komponisten geworden. Sie werden übertrumpft von dem spektakulären „Haus für Musiker“ des 2010 verstorbenen Architekten Raimund Abraham. Im Innern gibt es Tonstudios, ein unterirdisches Auditorium und Räumen für Künstler und Wissenschaftler, die gemeinsam produzieren können.

Eher zurückgenommen wirkt dagegen der Siza-Pavillon des portugiesischen Pritzker-Preisträgers Alvaro Siza Vieira. Das Haus ist ideal geeignet für Ausstellungen etwa zu Heerich, Demand und Goller. Ein Annexbau dient der Fotografie von Tomas Riehle bis Ursula Schulz-Dornburg. Schulz-Dornburg präsentiert außerdem ihre frühe Serie „Sonnenstand“ in einer Kirkeby-Kapelle neben dem „Feld-Haus“ für populäre Druckgrafik.

Kräutergarten und Kloster laden die Besucher zum Verweilen

Auf dem Areal der Raketenstation trifft man auf Archivgebäude, Gästehaus „Kloster“ mit 14 Zimmern, die auch vermietet werden. Es gibt sogar einen Kräutergarten, wo Pflanzen aus aller Welt gezüchtet werden, für ökologische und medizinische Zwecke. Eine Freiwilligengruppe gärtnert. Und die Besucher dürfen sich sogar Kräuter mit nach Hause nehmen.

1700 Kunstwerke laden in die Pavillons von Erwin Heerich ein

Für Kunstfans stehen die Pavillons von Erwin Heerich auf der Museumsinsel im Vordergrund. Sie beherbergten 1700 Werke von den Khmer bis in die Gegenwart. Der frisch sanierte Tadeusz-Pavillon ist der Höhepunkt der Kunstschau. Erst waren die Riesenformate des Malers da, und dann baute Erwin Heerich eigens dafür den Raum und versah ihn mit einem fast sakralen Licht.

Jedermann kann in die Gebäude spazieren. Nur der Graubner-Pavillon ist leer. Und ein Graubner-Museum gibt es nach dem Tod des Künstlers nicht. Anders das Atelier des verstorbenen Anatol Herzfeld, es bleibt. Es ist voller  Kunst, so dass die Gäste nur von außen ins Innere schauen dürfen. Die Gespräche mit der Witwe Erdmute laufen noch. Das Literatur- und Kunstinstitut des verstorbenen Volker Kahmen im Rosa Haus und in einem der Kirkeby-Gebäude, ein Hort für Fotografie, zeitgenössische Kunst und Literatur, kann auf Anfrage besucht werden.

Hinter der großen Chillida-Skulptur, der Landmarke vor der Raketenstation, liegen zwei hochkarätige Privatmuseen: der Pavillon von Thomas Schütte, der den Goldenen Löwen in Venedig gewonnen hatte, und die Langen-Foundation mit der herausragenden Ostasiatika-Sammlung. Wer will, kann auf dieser „Insel“ und in ihrer Umgebung einen ganzen Tag verbringen, ohne sich satt zu sehen. Hungern muss er nicht, denn in der Cafeteria gibt es Speis’ und Trank gratis.

Anfahrt: A 57 bis Neuss-Reuschenberg oder Neuss-Holzheim; A 56 bis Grevenbroich-Kapellen; den braunen Schildern folgen. Preise, Öffnung, Programm: