Wüst schließt Lockerungen aus CDU und FDP wollen in NRW bei Corona-Maßnahmen an einem Strang ziehen
Düsseldorf · Die Omikron-Welle rauscht durch das Land - und Lockerungen der Corona-Maßnahmen sind nicht in Sicht. Für die CDU/FDP-Koalition ist das eine Belastungsprobe. Die Liberalen beißen die Zähne zusammen.
Die Koalition aus CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen will trotz teils unterschiedlicher Meinungen bei den strengen Corona-Maßnahmen weiter an einem Strang ziehen. Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) schloss angesichts der rollenden Omikron-Welle eine Aufweichung der Schutzmaßnahmen am 26. Januar vorerst aus. „Es kann kein Signal zu großflächigen, pauschalen Lockerungen geben“, sagte Wüst in einer Unterrichtung des Landtags. Bund und Länder seien sich bei ihren Beratungen am vergangenen Montag einig gewesen, dass die bisher geltenden Regeln grundsätzlich weiterhin Bestand haben sollten. Die Landesregierung habe verabredet, dass sie täglich überprüfen werde, ob Maßnahmen noch notwendig seien, sagte indes Vize-Ministerpräsident Joachim Stamp (FDP). Die Menschen verspürten eine „tiefe Verunsicherung“. Über Omikron gebe es noch „nicht das letzte Wissen“. Es müsse genau überlegt werden, welche Maßnahmen notwendig und sachlich begründet seien oder möglicherweise angepasst werden müssten.
Die FDP will unter anderem coronabedingte Einschränkungen in Handel und Gastronomie lockern. Das hatte FDP-Landtagsfraktionschef Christof Rasche gesagt. In der Plenardebatte am Mittwoch pochte Rasche nicht mehr darauf, sondern betonte den Zusammenhalt der Koalition. Es müsse überlegt werden, wie „alle verschiedenen Interessen“ auf einen Kurs gebracht werden könnten. Die derzeitige Corona-Schutzverordnung für NRW gelte bis 9. Februar. Rasche schloss nicht aus, dass sie schon vorher neu gefasst werden könne. CDU und FDP hielten den gemeinsamen Kurs bei, sicherte er zu.
Die in auf Bundesebene mitregierende FDP habe sich für „moderate Anpassungen“ der Maßnahmen ausgesprochen, sagte Rasche. Vorwürfe der Opposition, er handele damit verantwortungslos, wies er zurück. Einzelhandel und Gastronomie seien keine Treiber der Pandemie. In mehreren Bundesländern hätten Gerichte die 2G-Regel gekippt, die nur Geimpften oder Genesenenden Zutritt erlaube. Auch in Kultur und Sport seien Existenzen bedroht. Das Problem sei, wann der richtige Zeitpunkt für Öffnungen da sei. Es seien Maßnahmen notwendig, die auch akzeptiert würden.
SPD-Oppositionsführer Thomas Kutschaty sagte, solange die Gefahr einer Überlastung des Gesundheitswesens bestehe, wäre es „töricht, bisherige Regelungen aufzuheben“. „Die Debatte über Lockerungen kommt zur falschen Zeit“, sagte Kutschaty. „Die volle Wucht der Omikron-Welle hat uns noch gar nicht getroffen.“
Auch Grünen-Fraktionschefin Josefine Paul sagte, in eine sich weiter aufbauende Omikron-Wand zu lockern, wäre „unverantwortlich“. Gleichzeitig müssen die Folgen für Wirtschaft, Kultur und Sport abgefedert werden. Paul kritisierte, dass die CDU/FDP-Koalition das erfolgreiche Stipendienprogramm für Kulturschaffende nicht erneut aufgelegt habe.
Wüst sicherte zu, das Land werde mit den Arbeiten für ein „umsichtiges Zurückfahren der Schutzmaßnahmen“ erst dann beginnen, wenn eine Überforderung des Gesundheitssystems absehbar ausgeschlossen werden könne. Derzeit steige aber die Zahl der Corona-Patienten in den Krankenhäusern wieder deutlich an. Innerhalb von zwei Wochen sei die Zahl um 50 Prozent nach oben gegangen.
Wüst sagte aber auch: „Die Menschen in unserem Land brauchen Perspektiven für eine schrittweise Rückkehr zur Normalität.“ Viele Unternehmer, Selbstständige und Arbeitnehmer kämpften um ihre Existenz, besonders auch der Einzelhandel.
Der CDU-Politiker forderte rasche Klarheit bei einer Verlängerung der Wirtschaftshilfen und eine frühzeitige Entscheidung über die Fortsetzung des Kurzarbeitergelds über den 31. März 2022 hinaus. Die Bundesregierung werde das prüfen, erläuterte Wüst. Er verwies darauf, dass Nordrhein-Westfalen mit der Fristverlängerung für die Abrechnung der Corona-Soforthilfen bis Mitte 2023 zusätzliche Unterstützung auf den Weg gebracht habe.
Wüst sprach sich erneut für eine allgemeine Corona-Impfpflicht aus, vor allem mit Blick auf den nächsten Winter. Die Vorbereitung der Impfpflicht gehöre zu einer vorausschauenden Pandemiepolitik. Sie schütze besonders gefährdete Menschen und diejenigen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen könnten. Die Impfpflicht schütze auch das Gesundheitssystem vor Überforderung und diene dazu, die Spirale der Corona-Maßnahmen zu durchbrechen. Der Bundestag debattierte am Mittwoch erstmals ausführlich über die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht in Deutschland.
AfD-Fraktionschef Markus Wagner hielt Wüst einen „Verlust an Glaubwürdigkeit und Krisenmanagement-Kompetenz“ vor. So habe der Regierungschef noch im November gesagt, er wolle den Menschen keine Impfpflicht „vor den Latz knallen“. Schon Anfang Dezember habe Wüst eine Kehrtwende gemacht.