Occupy-Dorf: Ein Zeltlager wird zur Parallelgesellschaft
Camper an der Johanneskirche wollen bleiben. Passanten spenden Lebensmittel, die Kirche den Strom.
Düsseldorf. Es ist schon Mittag, als am Mittwoch die letzten Camper die kleinen Zelte verlassen und sich in der Cafeteria der Johanneskirche einen Kaffee holen. Andere wärmen sich im Gemeinschaftszelt auf, essen oder lesen. Im Düsseldorfer Zeltlager der weltweiten Protestbewegung „Occupy“ am Martin-Luther-Platz sind längst nicht mehr nur die Banken ein Thema. In den letzten drei Wochen hat sich eine kleine Parallelgesellschaft entwickelt, die für viele Protestler ein Zuhause geworden ist. „Mit unserem Dorf zeigen wir, wie eine Solidaritätsgemeinschaft funktioniert“, sagt Hanno Thulmann von Occupy.
Es ist ein Leben, für das sich Thulmann sowie knapp 15 weitere Protestler vorübergehend entschieden haben. Sie gehören zum festen Kern des Lagers und nächtigen nach eigenen Angaben auf dem Platz vor der Kirche, der Eigentum der Stadt ist. Eine solche Aktion muss bei der Polizei angemeldet werden. Nach Versammlungsrecht darf dem unter bestimmten Voraussetzungen nicht widersprochen werden. Die Kirche duldet die Camper. „Bis jetzt hatten wir eine gute Nachbarschaft, wir verstehen die Empörung über die Ungerechtigkeiten der Welt. Man muss aber beobachten, wie sich Occupy entwickelt“, sagt Pfarrer Uwe Vetter.
Seine Wohnung hat Thulmann noch, seit drei Wochen soll er jedoch nicht mehr dort gewesen sein. „Ein Teilnehmer hat seinen Job aufgegeben und lebt nur noch hier“, sagt er. Auf Nachfrage heißt es von anderen Campern jedoch, just dieser Bewohner sei gerade zu Hause. Für Thulmann steht dennoch fest: „Unser Dorf ist eine alternative Lebensart mit Vorbildfunktion und soll bleiben, bis sich in der Welt etwas ändert.“
Auch die kalten Temperaturen im nahenden Winter machen den Campern keine Angst. „Wir werden die Zelte auf Europaletten stellen und mit Stroh unterfüttern“, sagt Thulmann. Passanten bringen fast täglich Lebensmittel vorbei oder spenden Geld. Der Strom kommt aus der Kirche, jedoch nur für Licht und die Herdplatten. „Wir haben ein tägliches Kontingent, das uns zur Verfügung gestellt wird“, sagt er.
In den zahlreichen Workshops diskutieren die Camper nicht nur über gerechtere Finanzsysteme, sondern bieten Kurse für „aktives Zuhören“ oder Jonglage an. „Wir sind eine freie Gemeinschaft, in der Menschen aus den verschiedensten Berufen leben und damit vielfältiges Wissen mitbringen. In den Workshops können Interessierte nicht nur Selbstbewusstsein lernen, sondern auch Kritikfähigkeit“, sagt Thulmann.