Pflegemafia: Pflegesystem systematisch betrogen - Lange Haft gefordert
Acht Millionen Euro Schaden durch „gemeinschädliches Verhalten“.
Düsseldorf. Wie viel Geld verschwindet bei der Pflege in dunklen Kanälen? Seit August vergangenen Jahres sorgt der Prozess gegen die „Pflegemafia“ vor dem Landgericht bundesweit für Aufsehen. Am Montag ging das Verfahren gegen die neun Angeklagten im Alter von 34 bis 63 Jahren, darunter drei Frauen, auf die Zielgerade. Viel Luft brauchte Staatsanwältin Petra Szczeponik für ihr mehrstündiges Plädoyer. Am Ende forderte sie für die meisten Angeklagten langjährige Haftstrafen. Für sieben Jahre soll der 41-jährige mutmaßliche Drahtzieher ins Gefängnis.
Über einen Zeitraum von zehn Jahren sollen die Angeklagten bei der Pflege von meist russischen und ukrainischen Patienten falsch abgerechnet haben. Allein zwischen 2013 und 2016 ermittelten die Fahnder einen Schaden von acht Millionen Euro. „Das Pflegesystem wurde systematisch betrogen. Außerdem war das Verhalten gemeinschädlich“ — so begründete die Staatsanwältin, warum sie so hohe Strafen fordert.
Praktisch arbeitete der Pflegedienst mit einem Gewirr aus verschiedenen Firmen wie in einer Parallelwelt. Es wurden Mitarbeiter abgerechnet, die gar nicht existierten. Scheinfirmen berechneten Schulungen für Pflegepersonal, die nie stattgefunden haben. Regelmäßig wurden Besuche abgerechnet, die es nicht gab.
Teilweise tauchten die Pflegekräfte bei den Senioren nur ein oder zweimal in der Woche auf — oder gar nicht. Eine Frau aus der Ukraine, die angeblich täglich betreut wurde, befand sich tatsächlich in den USA und machte dort Urlaub. Oft waren die Kunden und die Familien in den Betrug eingebunden. Sie bekamen als Gegenleistung Geld oder Gutscheine für Tagesausflüge.
Im Jahr 2014 gab es konkrete Hinweise auf Unregelmäßigkeiten bei den Pflegediensten. Doch erst durch den Einsatz von verdeckten Ermittlern und monatelange Telefonüberwachung konnten die Ermittler sich Eintritt in die Parallelwelt verschaffen. Schnell wurde klar, dass der russisch-eurasische Pflegedienst schon seit 2007 dunkle Geschäfte machte.
Als eine Mitarbeiterin Bedenken hatte, weil es Unstimmigkeiten bei der Pflegedokumentation gab, antwortete ihr die Kollegin: „Das ist doch schon neun Jahre gut gegangen.“ Ein anderer Angeklagter sprach ganz offen davon, dass „Moppen gewaschen werden“. Nach den Plädoyers der Verteidigung wird Anfang Februar mit dem Urteil gerechnet.