Evangelische Kirche Praktizierte Nächstenliebe in Diakonie und Kirche
Pfarrer Heinz-Werner Frantzmann wird am Sonntag in den Ruhestand verabschiedet.
Heinz-Werner Frantzmann wundert sich immer ein bisschen, wenn er dieser Tage gefragt wird: Wie verkraftest du es denn, nach 40 Jahren als Pfarrer nun bald im Ruhestand zu sein? „Einen Mann von der Müllabfuhr würde man so etwas nicht fragen“, antwortet er, und will damit auch sagen: So etwas Besonderes ist der Beruf des Pfarrers nun auch wieder nicht.
Der Satz ist typisch für einen evangelischen Pastor, der seinen Beruf immer in erster Linie als ganz handfesten Nächtenliebe-Dienst an den Menschen in seiner Gemeinde verstanden hat. In Eller, genauer in der Jakobus-Gemeinde im Gurkenland, wo er von 1982 bis 2003 wirkte, war er vor nichts fies: „Sportplatz, Kneipe, Schützenfest, da bin ich hin, da habe ich die Menschen doch getroffen.“ Und der ein oder andere ist auch deshalb mal zum Gegenbesuch in die Kirche gekommen, glaubt er. Wie viele Taufen, Konfirmationen, Trauungen und Beerdigungen er absolviert hat, weiß er nicht mehr, es waren viele. „Ich freue mich immer, wenn ich Konfimanden von mir sehe und sie nicht die Straßenseite wechseln.“
Die Gemeindepfarrer heute beneidet er nicht unbedingt: Die vom Mangel erzwungenen Zusammenlegungen von Gemeinden, die damit verbundene ausufernde Verwaltungsarbeit, der Pfarrer als Manager, nein, das ist nicht seins. Und Frantzmann ist auch überzeugt, dass zu viel BWL-und Marketingsprech vom Personal- bis zum Gebäudemanagement seiner Kirche nicht guttun: „Man hätte da nicht jedes Wort übernehmen müssen.“ Andererseits ist ihm klar, dass sich die Kirche anpassen muss und dass dazu effizientere, sparsamere Strukturen gehören: „Wichtig ist zweierlei: Dass wir auch im Wenigerwerden präsent bleiben. Und dass wir die von Schließungen betroffenen Menschen mitnehmen – was schwierig ist.“
Natürlich leidet auch Heinz-Werner Frantzmann unter dem Bedeutungsverlust der Kirche(n), der oft so kleinen Schar von Gläubigen im Gottesdienst. Wie der Schwund zu stoppen ist, weiß auch er nicht. Umso wichtiger sei es, die Prinzipien des Glaubens zu leben. Soziale Teilhabe, Gerechtigkeit, das sei das A und O: „Die Menschen müssen ein Zugehörigkeitsgefühl haben und behalten“, sagt er. Deshalb gehöre nach wie vor in jeden Briefkasten der Gemeindebrief, „auch wenn viele ihn gleich wegwerfen“.
2003 wechselte er – auch aus gesundheitlichen Gründen – auf die ganz neu eingerichtete Pfarrstelle „Kirchengemeinden und Diakonie“. Anfangs tat er sich schwer, „im Gurkenland war ich ein kleiner König, bei der Diakonie saß ich in der zweiten Reihe“. Frantzmanns Auftrag: Das durchaus angespannte Verhältnis zwischen den Gemeinden und der Diakonie verbessern. Die Diakonie hatte fast alle diakonischen Aufgaben der Gemeinden übernommen, von der Kita bis zum Pflegeheim. Sie sah sich als Entlaster der Gemeinden, als „Diakonie der Kirche“. Doch in vielen schrumpfenden Gemeinden war es anders, dort galt die wachsende Diakonie als „Sozialkonzern“, der sich seine Nächstenliebe gut bezahlen ließ. Frantzmann begann in mühsamer Kleinarbeit, die Risse zu kitten, ein Gemeinschaftsgefühl von Diakonie und Gemeinden neu zu entwickeln. Er wurde Netzwerker. Nach 16 Jahren Beziehungsarbeit ist er zufrieden: „Es gibt ein viel größeres gegenseitiges Verständnis und gute Kooperationen – bei den Zentren plus, Essensausgaben, Gemeindefesten und anderem mehr.“
Auch für ihn selbst war die neue Stelle ein Glücksfall, „denn ich konnte auch weiter Pfarrer bleiben“. So hat er immer mal wieder in der Johannes- und der Bergerkirche gepredigt, neue Gottesdienstformen ausprobiert, aber auch Diakonie-Mitarbeiter getraut oder Heimbewohner beerdigt. Dass er überhaupt Theologie studierte, „war sozialpolitisch motiviert“. Auch insofern schloss sich bei der Diakonie ein Kreis.
Der Abschiedsdsgottesdient für Pfarrer Frantzmann mit Superintendent Heinrich Fucks findet am kommenden Sonntag, 8. Dezember, um 10 Uhr in der Johanneskirche statt. Es singt der Gospelchor „PaterNoster“ aus „seiner“ Gemeinde in Eller.