Düsseldorf. Seit es Arbeitsgerichte gibt, treffen sich dort Arbeitgeber und Arbeitnehmer, um ihre Streitigkeiten auszutragen. Die Gründe für den Gang vor den Kadi haben sich aber in den vergangenen Jahren verändert, sagt Annette Lipphaus, bei der Gewerkschaft Verdi Rechtsschutzleiterin für NRW: "Es gibt schneller eine fristlose Kündigung wegen Kleinigkeiten."
Bisher ist Düsseldorf von "Bagatell-Entlassungen" verschont geblieben. Jetzt sorgt ein Fall für Aufsehen: Jan-Josef Philipp ist fertig mit den Nerven. Bis vor drei Monaten hat der 58-jährige als Maschinenbediener bei der Düsseldorfer Firma Schmolz und Bickenbach gearbeitet. Am 20. April kam nach über 30 Jahren die Kündigung. Der Grund: Philipp soll einen halben Liter Milch im Wert von 40 Cent gestohlen haben.
Die Vorgeschichte: In dem Stahlbetrieb bekommt jeder Mitarbeiter täglich gratis eine Milchtüte. Am 12. April geriet Philipp in den Verdacht, zwei Tüten genommen zu haben. "Es gibt Zeugen, die ihn beobachtet haben, weil wir einen konkreten Anlass dazu hatten", sagt Peter Ophey, Personaldirektor des Betriebes. Wie dieser Anlass aussah, will Ophey nicht sagen.
Bei einer anschließenden Durchsuchung von Philipps Sachen wurde keine Milchtüte gefunden. "Ich habe diese Milchtüte nie genommen", beteuert Philipp. Für ihn hat der Rausschmiss ganz andere Gründe: "Mein Meister war sauer, dass ich mich alle zwei Monate über die Arbeitsbedingungen beschwert habe."
Wenn der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer loswerden möchte, würde er einen Grund finden, sagt auch Annette Lipphaus. "Dann geht es wegen einem Fehlbetrag von 3,50 Euro in der Reisekostenabrechnung vor Gericht."
Seit Anfang Juni streiten sich nun die Juristen um Philipps Schicksal. Einen ersten Vergleich, der eine Kündigung in eine Abmahnung umwandeln sollte, lehnte die Firma ab. Ihr Vorschlag, normale Kündigung plus 50.000 Euro Abfindung, lehnte Philipp ab: In seinem Alter befürchtet er, keine neue Arbeit mehr zu bekommen. Er will seinen alten Job wieder - nur in einer anderen Abteilung.
Ob das Gericht für Philipp entscheidet, bleibt abzusehen. In den meisten Fällen hatten bisher die Arbeitnehmer das Nachsehen. Nur im Fall Emmely hat das Bundesarbeitsgericht bisher eindeutig für den Gekündigten entschieden. Am 24. August geht es vor dem Arbeitsgericht weiter.