Richter stellte Fenstersturz mit Lego nach

Professor für Biomechanik als Gutachter. Versuchter Mord oder missglückter Fluchtversuch?

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Schwer verletzt wurde eine 25-Jährige auf dem Kiesbett vor einem Mehrfamilienhaus an der Rethelstraße gefunden. War es ein versuchter Mord? Oder war die kokainsüchtige Frau selbst aus dem Fenster gesprungen, weil sie ihren Freund wiederholt bestohlen hatte? Mit ungewöhnlichen Mitteln ging das Landgericht gestern dieser Frage auf den Grund. Der Vorsitzende Richter Rainer Drees hatte den Tatort maßstabsgerecht mit Lego-Steinen nachgebaut. Und ein Professor für Biomechanik erklärte an dem Modell, welche Version er für die wahrscheinliche hielt.

Die 25-Jährige hatte behauptet, ihr Freund habe sie nach einem Streit an den Beinen gefasst und rücklings aus dem Fenster gestoßen. Danach sei sie auf dem Rücken gelandet. Der Angeklagte, ein mutmaß´licher Drogendealer, wiederum beteuerte seine Unschuld. Seine Lebensgefährtin habe ihn mehrfach bestohlen. Am Tattag hätte sie 1800 Euro eingesteckt, die nach dem Sturz neben ihr auf dem Boden lagen. Er sei im Treppenhaus gewesen, als die Frau aus dem Fenster sprang.

Gutachter Professor Gert Brüggemann stellte acht verschiedene Versionen vor, wie sich die Tat abgespielt haben könnte. Die Aussage des Opfers, as auf dem Rücken gelandet war, hielt er für unwahrscheinlich. Denn dann hätte sie nach seinen Berechnungen mit dem Kopf nach vorn aufkommen und völlig andere Verletzungen haben müssen.

Wahrscheinlich sei, dass die 25-Jährige entweder selbst gesprungen ist, oder mit dem Kopf nach vorn aus dem Fenster gestoßen wurde. Das entspricht aber nicht dem, was die Frau ausgesagt hat. Theoretisch sei auch denkbar, dass sich die Nebenklägerin auf den 6,40 Metern im Flug gedreht hat. Weiter festlegen wollte sich der Biomechanik-Experte aber nicht. Fotografiert werden durfte das Lego-Haus des Richters übrigens nicht — es ist Teil der Akte.