Schwul — in der Mitte der Gesellschaft

Das Hitzlsperger-Outing hat eine neue Debatte ausgelöst. Wie tolerant geht’s in den Düsseldorfer Männerbastionen zu?

Füchschen-Chef Peter König (l.) war Karnevalsprinz.

Foto: Melanie Zanin

Düsseldorf. Fußballprofi und schwul — viel wird derzeit spekuliert, inwieweit sich das miteinander vereinbaren lässt. Der Fall Hitzlsperger hat auch in Düsseldorf eine Debatte ausgelöst. Müsste ein Fortuna-Spieler, der sich outet, mit Schmähungen von Fans oder Mitspielern rechnen? Wie sieht es in anderen Lebensbereichen aus, die traditionell männerdominiert sind? Die WZ hat nach Antworten gesucht.

Foto: dpa

Sport Was wäre, wenn sich ein aktiver Fortuna-Spieler outen würde? „Nicht viel“, glaubt Aufsichtsrat Günter Karen-Jungen, denn: „Fortuna zeigt in Sachen Toleranz schon seit langem deutlich Flagge. Klar, es gibt immer einige Idioten. Aber ein Spieler-Outing dürfte im Verein und bei den allermeisten Fans kein Problem sein“, meint er.

Dass sich homosexuelle Sportler — trotz aller Toleranz — auch immer mal wieder abfällige Sprüche anhören müssen, bestätigt indes Jens Sieberger, Handballtrainer beim ART Düsseldorf. Er persönlich hätte zwar kein Problem damit, wenn sich ein Spieler outen würde. „Ich kann allerdings nicht sagen, wie das bei den anderen Spielern in der Mannschaft ankommen würde. Ich weiß nur, dass bei uns in der Kabine schon mal deftige Sprüche fallen. Ich glaube aber, dass dies in einer männlichen Teamsportart nichts Ungewöhnliches ist.“

Politik Ebenso wie im Sport war Homosexualität in der Politik lange Zeit überhaupt kein Thema. Das ist heute anders: Aktuell gibt es im Stadtrat sechs offen schwule oder lesbische Ratsleute — quer durch fast alle Fraktionen und alle unter 60.

Früher gab es eine solche Offenheit nicht. Dabei war in eingeweihten Kreisen bekannt, dass dieser oder jene schwul oder lesbisch ist — auch bei Personen in hohen Ämtern. Aber es wurde nicht publik. „Das ist auch eine Generationenfrage“, sagt Dirk Jehle, Vorsitzender der Düsseldorfer Schwusos („Lesben und Schwule in der SPD“). „Die Älteren sind im Bewusstsein aufgewachsen, dass Homosexualität strafbar ist. Die definieren sich ganz anders. Auch die Worte ,schwul’ und ,lesbisch’ verwendet diese Generation in der Regel nicht.“

Einer der ersten offen schwulen Ratsherren war Bruno Schnabel (SPD), ehemaliger Schulleiter. Er war auch einer der Initiatoren einer Stadtrats-Resolution gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz 1995.

In den Jahren ab 1999 zog der damalige OB Joachim Erwin (CDU) mehrfach den Unmut vieler Homosexueller auf sich. Etwa durch die Aussage, Schwule und Lesben „sollten sich besser nach Berlin verlegen“.

Auch heute ist die Thematik im Rathaus nicht spannungsfrei. Zuletzt im November gab es Ärger im Stadtrat wegen einer Resolution „Homophobie in Russland“, die von SPD, Grünen und FDP unterstützt wurde, von CDU und OB Elbers aber nicht.

Jonges Heikel ist die Situation bisweilen auch im Brauchtum. Als es 2012 eine Kampfkandidatur um den Vorsitz beim Heimatverein (2600 Mitglieder, nur Männer sind zugelassen) gab, outete sich einer der beiden Bewerber — es heißt, er habe sich von seinem Kontrahenten dazu genötigt gefühlt — und verlor die Wahl. „Es wird einen Teil der Jonges geben, den das bei der Wahl beeinflusst“, sagte Vorgänger Detlef Parr damals.

Schützen Bei den Schützen kommt es auf den Stadtteil an, meint Dirk Jehle: „In Bilk etwa ist das gar kein Problem“, sagt er. Aber ich weiß auch, dass das nicht überall so ist.“

Karneval Viel entspannter ist die Situation indes bei den Karnevalisten. „Unsere Stadt ist supertolerant“, sagt etwa Füchschen-Chef Peter König. Er muss es wissen: Er war 2001 der erste Karnevalsprinz, der ganz offen mit seiner Homosexualität umging. „Für mich war selbstverständlich, dass es von Anfang an geklärt ist“, sagt König. „Und im Karneval war es kein Thema.“ Er ist aber sicher: „In Köln wäre das damals noch nicht möglich gewesen.“ War es vorher in Düsseldorf aber auch nicht: Noch 1992 musste ein schon als Prinz nominierter Kandidat zurücktreten, als seine Homosexualität bekannt wurde.

König macht sich indes vor allem wegen der Jugend Sorgen: Wenn er mal dumme Sprüche höre, dann von 18- bis 19-Jährigen — „da muss man aufpassen“.

Schulen „Wir sprechen mit den Schülern darüber, wenn Worte wie ,schwul’ auf dem Schulhof mit beleidigender Absicht verwendet werden“, sagt Maria Karrenbrock, Leiterin der Fritz-Henkel-Hauptschule. Sie beobachte bei den Schülern einen sehr unterschiedlichen Umgang mit der eigenen Homosexualität. Manche seien da sehr vorsichtig: „Andere zeigen es sehr offen. Sie werden nicht gemobbt, sondern sind sehr beliebt bei den Mitschülern.“

Auch Sigrid Belzer, Rektorin am Schloss-Gymnasium Benrath, hat an ihrer Schule stets einen sehr offenen Umgang erlebt: „Wir haben homosexuelle Kollegen, die bringen ihre Partner zur Schulfeier mit so wie ich meinen Ehemann.“

Polizei/Feuerwehr Auch bei Feuerwehr und Polizei geht man heute mit dem Thema offen um. „Das ist heute viel entspannter als vor 20 Jahren“, sagt Jan Mallmann-Kallenberg vom Open-Team der Feuerwehr, das sich um die sozialen Belange der Retter kümmert. Ein Feuerwehrmann, der sich geoutet hat, sagte der WZ, sein Bekenntnis sei von den Kollegen „sehr respektvoll und wertschätzend“ aufgenommen worden.

Ängste, ein Outing könnte sich auf die Karriere auswirken, gab es offenbar auch mal bei der Polizei: 1994 gründete sich deshalb der Verband lesbischer und schwuler Polizeibediensteter (Velspol) — unter anderem auf Initiative eines Düsseldorfer Polizisten hin. Laut Personalrat gibt es zu dem Thema heute aber keinerlei Anfragen mehr.