Portrait Sehbehinderter Philip aus Düsseldorf lässt sich durch nichts aufhalten

Düsseldorf · Philip Hebmüller ist seit seiner Geburt fast blind. Er hat die seltene Gen-Krankheit Aniridie. Dennoch feiert der Junge aus Düsseldorf beachtliche Erfolge – und das nicht nur in seiner Lieblingssportart.

Philip Hebmüller präsentiert einige der Medaillen, die er schon gewonnen hat. Der Elfjährige ist stark sehbehindert. Er ist sehr stolz auf seine Erfolge für den Düsseldorfer Schwimmclub und trainiert fast täglich.

Foto: Ja/Michaelis, Judith (JM)

Philip begrüßt uns erfreut in seinem Zuhause in Golzheim. „Ich habe in Mathe eine Eins“, erzählt er noch schnell seinen Eltern, Astrid und Frank Hebmüller. Dann setzt er sich entspannt an den Esstisch und ist bereit, seine Geschichte zu erzählen. Die Geschichte eines elfjährigen Jungen, der seit seiner Geburt fast blind ist. Nur rund zehn Prozent Sehkraft hat er, weil er unter einem Gen-Defekt leidet. Aniridie nennt sich diese seltene Erkrankung. Philip hat keine Iris, die Pupillen sind geöffnet, das Auge nicht komplett entwickelt. Man sieht dem lebhaften Jungen sein Handicap allerdings überhaupt nicht an. Und wenn man ihn erlebt und mit ihm spricht, hat man auch gar nicht den Eindruck, dass er darunter leidet.

Trainer der Nationalmannschaft hilft

Philip und seine Eltern haben beschlossen, dass auch andere vom Alltagsleben mit der Sehbehinderung erfahren sollen. „Wir möchten Mut machen, dass man auch mit Handicap am normalen Leben teilnehmen kann“, sagt Astrid Hebmüller. Und ihr Ehemann ergänzt: „Dass man sich etwas zutrauen und erreichen kann.“

Ein Auslöser für diese Haltung war ein Erfolgserlebnis ihres Sohnes. Im November nahm er in Remscheid zum ersten Mal an den Deutschen Schwimmmeisterschaften für Sportler mit Behinderungen teil. Zufällig hatte die Familie im Sommerurlaub auf Lanzarote die Trainer und Sportler der Deutschen Paralympischen Nationalmannschaft kennengelernt. „Die kannten meinen Trainer Torsten Petsch vom Düsseldorfer SC, ich haben ihnen dann vorgeschwommen, und sie haben das dann für mich organisiert“, berichtet Philipp. Und gleich bei seinen ersten nationalen Titelkämpfen holte er Gold in der Jugend-Wertung über 100-Meter-Brust sowie 50 und 100 Meter Rücken. Doch damit nicht genug: Er gewann auch noch vier Silber- und zwei Bronzemedaille.

Mit diesen Leistungen beeindruckte er die Nachwuchs-Bundestrainerin Susanne Jedamsky. Und bekam eine Einladung zur Bundes-Nachwuchssichtung im kommenden Jahr und ist für das Paralympische Schwimmteam NRW nominiert.

Seit fünf Jahren trainiert der Elfjährige beim DSC im Rheinbad. Auch sein älterer Bruder Lukas (15) schwimmt dort in der ersten Mannschaft. Fünfmal in der Woche trainiert Philip. Eigentlich sind nur drei Wochen in den Sommerferien überhaupt trainingsfrei. Im Wasser orientiert er sich an den Leinen der Bahnen, beim Rückenschwimmen zählt er die Schwimmzüge. Auf dem Trainingsplan stehen auch Gymnastik und Laufen. Da macht er sich alleine in seinem Viertel auf bekannten Strecken auf den Weg.

Philip Hebmüller bei den Deutschen Schwimmmeisterschaften für Sportler mit Behinderungen.

Foto: Düsseldorfer Schwimmclub

Mit großer Unterstützung der Eltern, die ihn zum Training und zu Wettkämpfen fahren, absolviert Philip sein Hobby. Doch die Schule muss er alleine meistern. Mit ein paar anderen Kindern geht er morgens zur Bahnhaltestelle. „Es ist für meinen Sohn schwer zu erkennen, ob da die U78 oder die U79 hält“, erklärt Astrid Hebmüller.

Philip kommt in der Schule gut zurecht

Philip geht aufs Theodor-Fliedner-Gymnasium in Kaiserswerth. Das sei sehr kooperativ, sagt sein Vater. Der Junge hat dort einen verstellbaren Stuhl und Tisch, eine Extra-Lampe und ein iPad. Eine Förderlehrerin unterstützt ihn, aber das wurde auch schon zurückgefahren, weil alles sehr gut klappe. Klassenarbeiten schreibt Philipp auf Din-A3-Papier. Deutscharbeiten seien für ihn etwas mühseliger, weil er für das Texteschreiben mehr Zeit braucht. Ansonsten hat er normale Hefte, die größer liniert sind als die seiner Klassenkameraden.

Die wissen übrigens genau, welches Handicap ihr Mitschüler hat. Dazu kam die Klasse eigens für zwei Stunden zusammen. Die anderen Kinder haben dann Brillen getragen, die Philips Sehvermögen simuliert haben. Auch einen Parcours sind sie damit abgelaufen. „Dabei haben sie schon gemerkt, dass ich mal Hilfe brauche“, berichtet der Elfjährige, der aber darauf besteht, so viel wie möglich alleine zu machen. Um eines allerdings beneidet er die anderen Schüler wirklich: „Die müssen nicht immer in der ersten Reihe beim Lehrer sitzen, sondern können auch schon mal wechseln. Das nervt mich“, sagt er.

Was ihn aber begeistert ist Sport. Morgens holt er die Zeitung aus dem Briefkasten und liest die Sportseiten noch vor der Schule. Er liebt Formel 1 und auch Fußball. Er war mit seiner Familie im Borussia-Park in Mönchengladbach, wo sie für Sehbehinderte einen Extra-Kommentator haben, der die Spielszenen schildert. Auch die Fortuna will Philip bald im Stadion erleben. Doch heute steht erst Mal wieder Training an. „Acht mal 100 Meter Kraulen“, sagt Philip, der so viele Dinge selbstverständlich meistert. Doch vor dem Trainingsprogramm im Rheinbad hat er an diesem Tag allerdings richtig Respekt.