Gastronomie Selbsttest: Mein Mittagessen zwischen Papp-Gästen
Düsseldorf · WZ-Redakteur Daniel Neukirchen aß sein Mittagessen im „Schwan“. Mit Corona-Regeln und zweidimensionalen Gästen.
Mittagspause im „Schwan“ an der Sternstraße: Drei Tische sind belegt, an einem von ihnen habe ich gerade Platz genommen. Ich schaue auf ein Paar, das es sich dem Anschein nach gut gehen lässt: Auf dem Tisch stehen Weingläser und ein Getränkekühler. Doch diese banale Alltagsszene bekommt auf den zweiten Blick Risse. Erstmal ist es im Gastraum bis auf die Hintergrundmusik mucksmäuschenstill. Klar, gibt es diese Paare, die sich schon alles gesagt haben, und beim Essen schweigend die Uhr herunterlaufen lassen - aber meine Tischnachbarn zeichnen sich noch zusätzlich dadurch aus, dass sie sich nicht bewegen. Der Grund ist einfach: Ich nehme meine Mahlzeit heute gemeinsam mit einer Gruppe Pappaufstellern ein. Willkommen in der neuen Normalität.
Es ist ja eine witzige Idee: In den Schwan-Filialen in Düsseldorf und Neuss muss eben wie überall in Restaurants der Abstand zwischen den Tischen gewahrt werden. Statt das Möbiliär zu entfernen oder mit Absperrband Tatortatmosphäre zu erzeugen, hat man eben zweidimensionale Menschen an die Tische gesetzt. Ich nehme es mit Humor. Aber im Januar hätte ich definitiv niemandem geglaubt, der mir diese Szene so beschrieben hätte.
Wackelig sind noch die neuen Abläufe. Ich fühle mich als Gastronomie-Kunde so als, würde ich mich nach einer langen Pause zum ersten Mal wieder aufs Fahrrad schwingen wollen. Wobei im Rahmen der Corona-Pandemie leider zwangsweise Sattel und Lenkrad vertauscht werden mussten. Beim Betreten des Lokals stellt mir eine große Kreidetafel die neuen Spielregeln vor. Zum Beispiel soll ich mit Gesichtsmaske zu meinem Platz gehen. Damit ich nicht versehentlich mit dem Suppenlöffel ans Textil stoße, darf ich an meinem Tisch allerdings wieder frei durchatmen. Als ich zu meinem Platz starten möchte, macht mich der Kellner auf den Desinfektionsspender neben mir aufmerksam. Erst desinfizieren, dann dinieren. Alles klar.
Das Personal im Lokal bleibt die ganze Zeit maskiert. Doch der Freundlichkeit tut das keinen Abbruch. Schließlich lässt sich ein Lächeln auch an den Augen ablesen. Das Konzept ist so angelegt, dass die Gäste neben Messer und Gabel nicht mehr als nötig anfassen müssen. So liegen auch keine Karten aus. Die gibt es nur auf Anfrage. Auf die Tische ist ein QR-Code geklebt, den ich mit dem Smartphone einscannen kann, um digital und kontaktlos von den Details des Speiseplans zu erfahren. Auch bargeldloses Bezahlen ist erwünscht.
Alles kontaktlos - aber meine
Möhrchen hat jemand berührt
Nur wenige Minuten später steht ein dampfender Teller Möhrengemüse mit Frikadelle vor mir. Und das, obwohl mich die Tafel auch davor gewarnt hat, dass in Corona-Zeiten die Abläufe mehr Zeit in Anpruch nehmen können. Es dürfte aber geholfen haben, dass ich der einzige Gast bin, der in der Lage ist, ein Hungergefühl zu entwickeln. Als ich meine Möhrchen auf die Gabeln schiebe, frage ich mich: Mit wem hattet ihr eigentlich Kontakt? Na ja, jetzt nicht das gute Essen zerdenken. Schließlich habe ich ja auch keine Pizza schief angesehen, die mir in den vergangenen Wochen vom Lieferdienst vor die Tür gestellt wurde.
Zu guter Letzt fülle ich noch einen kleinen Flyer aus. So eine Art Andenken für den Wirt an mich. Das Lokal erfasst, wer ich bin und wie ich telefonisch zu erreichen bin. Für den Fall, dass eine Infektion zurückverfolgt werden muss. Bevor ich das Restaurant verlasse, gehe ich noch einmal bei den geplätteten Gästen vorbei. Sehen gesund aus. Ich denke, ich muss mir in Sachen Corona-Nachverfolgung keine Sorgen machen.