Stadt-Teilchen Zum Weinen schön: Diese Skyline weckt Heimatgefühle
Nach langen Reisen hat der erste Blick auf die Stadt immer etwas von Weihnachten und Bescherung.
Düsseldorf. Wenn ich eine Weile von Düsseldorf weg war, dann freue ich mich regelmäßig wie ein Kind auf die Rückkehr in meine Heimat. Es hat jedes Mal etwas von Bescherung. Schon am Autobahnkreuz Köln-Nord schlägt mein Herz höher, und meine innerlichen Temperaturen steigen auf wohlige Wärme. Weil ich genau weiß, was gleich kommt.
Ich rausche die A57 entlang, passiere die Chemie bei Dormagen, die Engstelle vor der Raststätte Nievenheim, und dann geht es mit erhöhtem Puls am Autobahnkreuz Neuss-Süd rechts ab. Ich weiß, dass es gleich soweit ist, dass meine kindlichen Augen in wenigen Minuten strahlen werden wie früher, wenn mein Vater im Wohnzimmer gebimmelt hat und dann so tat, als sei der Weihnachtsmann dagewesen. Mir wird gleich etwas geschenkt, denke ich nicht, nein, ich fühle, dass ich gleich der reichste Mann der Welt sein werde, dass mich ein Glücksgefühl durchströmen wird, gegen das jeder Drogenrausch wie das Ausfüllen eines Steuerformulars wirkt.
Nur noch wenige Meter trennen mich vom Glück. Ich passiere die Ausfahrt Uedesheim, es geht in eine leichte Linkskurve, ein bisschen zurück nach rechts, die Fahrbahn steigt an, und dann ist es so weit. Die Fleher Brücke liegt vor mir, und wenn ich die erreicht habe und unter dem Tor ihrer Pylone durchfahre, offenbart sich mir das Paradies: Düsseldorf.
Ich mag das, wenn man mit dem Auto flott eine Steigung hochrauscht und sich dann oben ein Panorama öffnet, das schöner kaum sein könnte. Ich liebe es bekanntlich, nach einem Gewitter aus dem Oberkasseler Rheinufertunnel aufzutauchen und die glitzernden Rheinuferfassaden in mich einzusaugen. Das ist ein erhebender Anblick, aber er ist nichts im Vergleich mit der Auffahrt auf die Fleher Brücke, denn dort wird mein persönlicher Horizont von einem Moment auf den anderen vergoldet.
Plötzlich liegt sie vor mir, die Skyline von Düsseldorf. Ich sehe den Fernsehturm, die Pfeiler der mittleren Rheinbrücken, das Mannesmannhochhaus, das GAP 15, das LVA-Gebäude, manchmal auch das Riesenrad am Burgplatz. Wenn ich viel Glück habe, dann sehe ich quer durch die Silhouette hindurch einen Flieger über Lohausen in die Luft gehen. Auf einmal ist es dann da, dieses unglaubliche Gefühl von Heimkommen in mir. Ich bin wieder da, und meine Stadt hat auf mich gewartet. Sie hat sich in Geduld geübt, während ich die Weltgeschichte erforscht habe, sie hat Vertrauen in mich gehabt. Sie wusste, dass ich wiederkomme. Ich komme immer wieder. Vielleicht werde ich mal ein paar Tage länger weg sein zwischendrin, aber an der Gewissheit meiner Rückkehr ist nicht zu rütteln.
Ich und mein Düsseldorf, wir sind so“, sage ich gerne und dann presse ich zur Unterstreichung des „so“ meine Hände derart fest zusammen, dass es beinahe schon schmerzt. Ich mag den Druck, weil er signalisiert, dass da mehr ist als sich dem Auge öffnet. Düsseldorf hat was, was andere nicht haben. Zum Beispiel meine Geschichte. Die kann ich zwar in Gedanken mitnehmen, aber lebendig wird sie nur dort, wo sie entstanden ist.
Hier liegt das Düsselgeländer, an dem ich meine erste Freundin geküsst habe, hier ist der Rhein, wo wir früher wilde Partys mit zu großen Feuern gefeiert haben, hier liegen meine Eltern begraben. Hier will auch ich dereinst ruhen.
All das geht mir durch den Kopf, wenn ich die Fleher Brücke hochfahre. Besonders dramatisch entwickelt sich das, wenn ich am Abend zurückkehre. Dann leuchtet die Stadt wie eine Kerze, die jemand allein für mich ins Fenster gestellt hat. Ein paar Mal hat es mich schon erwischt. Da rauschte dann ein älterer Herr in einer Mittelklasselimousine über die Fleher Brücke und hatte Tränen in den Augen. Tränen der Rührung.
So etwas schafft nur Düsseldorf, meine Stadt. Gemeinsam haben wir so viel durchgemacht, das uns zusammengeschweißt hat. Das kann keine Abwesenheit trennen. Düsseldorf ist in meinem Herzen. Ganz tief drin. Und weil das Herz auf der Fleher Brücke aufgeht, genießen all meine Gefühle die plötzliche Freiheit.
Es dauert nie besonders lange, dieser Moment. Schon an der Ausfahrt Bilk hat mich die urbane Nüchternheit wieder, funktioniere ich wieder als der harte Hund, der ich so gerne wäre. Ich kann dann wieder Business machen, cool agieren und alles Weiche an mir abperlen lassen. Aber all das geht nur, weil ich weiß, dass ich wieder wegfahren und wieder zurückkommen werde. Mein Düsseldorf wird dann auf mich warten, und auf der Fleher Brücke lächelt es mich mit der Anmut seiner sanft geschwungenen Skyline an und sagt: „Hey, schön, dass du wieder da bist. Ich habe dich sehr vermisst.“