Tamms wollte Modellstadt im Süden
Menschliches Wohnen hatte bei der Planung von Garath oberste Priorität. Die Verdichtung durch Hochhäuser kam erst ab 1967.
Düsseldorf. Nach dem zweiten Weltkrieg ist die Wohnungsnot in allen Ballungszentren groß und in den 1960er Jahren schießen Satellitenstädte empor. Gemeinsam ist allen ein Kern mit Schulen, Einkaufsmöglichkeiten und Infrastruktur, der meist von sozial gefördertem Wohnungsbau umgeben ist. Aus diesem Schema schert Garath mehrfach aus — und zwar nicht nur wegen seiner Größe. Der neue Stadtteil sollte eine Modellstadt für das Wohnen von morgen werden, die noch 30 Jahre später Vorbildcharakter hat.
Die Voraussetzungen sind gut, denn das Feld- und Wiesengelände, das sich der damalige Stadtplaner Friedrich Tamms für die neue Satellitenstadt aussucht, liegt in einer landschaftlich schönen und abwechslungsreichen Umgebung: Im Osten ist es vom Garather Staatsforst mit ausgedehntem Mischwald gesäumt, im Süden hat sich der Garather Mühlenbach sein Bett durch einen Auenwald gegraben und im Westen dehnt sich die teils landwirtschaftlich genutzte, aber immer wieder von Überschwemmungen bedrohte Urdenbacher Kämpe aus. Heute ist diese wegen ihrer vielen geschützten Tiere und Pflanzen ein Naturschutzgebiet von europäischem Rang.
Diesen Ring will Tamms, eher als Verfechter einer autogerechten Stadt bekannt, mit einer aufgelockterten Siedlung füllen. 80 Prozent der Wohnungen sollen zwar im sozialen Wohnungsbau entstehen, Hochhauskasernen sind aber zunächst nicht geplant. Ein Fünftel der Häuser ist für familiengerechte Eigenheime reserviert, sie sollen flankiert werden von drei bis viergeschossigen Wohnhäusern und nur wenigen Hochhäusern als Akzente am Rande.
Diese Idee hatte der Gewinner des bundesweiten Planungswettbewerbs, der Architekt Max Guther aus Darmstadt, so vorbildlich umgesetzt, dass er damit bundesweit Aufmerksamkeit erregte. Positive wohlbemerkt.
Er gestaltet das 225 Hektar große Gelände wie ein vierblättiges Kleeblatt: Die Blätter sind die einzelnen Wohnviertel, die am Außenrand je von einer Ringstraße erschlossen werden. Die Kleeblätter trennen in Nord-Südrichtung die vorhandenen (und geplanten) Straßen (darunter auch die heutige A 59) sowie die Eisenbahnline, in Ost-Westrichtung eine Fußgängerzone mit dem zentralen Einkaufszentrum und weiterführenden Schulen am jeweiligen Ende. Den Mittelnerv der Blätter bildet ein breiter, begrünter Fuß- und Radweg, in dessen Mitte sich jeweils ein kleines Nebenzentrum mit Lebensmittelladen, Bäcker, Kindergärten, Grundschule, Altersheim und zwei Kirchen befindet.
Im Westen Garaths wird dieses Konzept weitgehend umgesetzt. Erst ab 1967, als der Ausbau von Garath Ost ansteht, wird die Bebauung stärker verdichtet und der Anteil an Eigenheimen fällt weitgehend weg.