Topmodel-Finale: Was die Kameras nicht zeigen

Heidi Klum hat am Donnerstagabend im Dome wieder „Germany’s next Topmodel“ gefunden. Unsere Autorin saß während der Show im Publikum und wunderte sich.

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Die Szenerie wirkt wie aus dem Film „Der große Gatsby“ mit Leonardo DiCaprio. Sie ist bunt, sie ist grell, sie ist überschminkt. Ein Gang im Backstage-Bereich des Domes. Der Gang ist grau, unscheinbar, nicht sehr breit. Bunte Ballons hängen dort, sie werden gleich noch für die Show eingesetzt. Es ist das Finale von „Germany’s next Topmodel“ mit Heidi Klum, es sind noch rund vierzig Minuten bis Showbeginn.

In dem grauen Gang steht Model und Catwalktrainer Papis Loveday in einem türkis schillernden Seidenanzug. Alles sitzt — vom Scheitel bis zur Sohle. Keine unbedachte Falte, kein Verstoß gegen Form und Farbe. Wie DiCaprio in seinem legendären rosa Anzug als Gatsby, steht Loveday pfauengleich in diesem Gang und weiß, dass er gesehen wird. Den Kopf hoch erhoben lebt er sein Dandytum. Man merkt ihm an, er mag das.

Die Welt von „Germany’s next Topmodel“ ist bunt, grell und überschminkt. Hier, bei diesem Finale, ist das nicht nur deutlich zu spüren, sondern noch deutlicher zu sehen.

Draußen vor der Bühne hat mittlerweile das Publikum Platz genommen. Die Mädchen und Frauen, so scheint es zumindest, wollen den Models Konkurrenz machen. In zu engen Abendkleidern und zu hohen Schuhen suchen sie ihre Sitzplätze. Glitzer, Glitzer. Bussi, Bussi. Ach, nein, Du auch hier. Jeder will hier wichtig sein und wie schrecklich, in der Halle ist Handyverbot, sonst hätte man mal schnell ein Selfie gemacht. Wer nicht Influencer ist, der will dennoch influencen. Dazwischen mischen sich Heino und Hannelore, Olivia Jones und Günther Klum in safranfarbener Hose mit weißem Hemd und Vogel-Print. Die Tokio-Hotel-Zwillinge Bill und Tom Kaulitz sind auch da. Tom ist ja jetzt mit Heidi zusammen.

Auf der Bühne steht Conférencier und Gute-Laune-Macher Christian in weißem Anzug mit bunten Schmetterlingen. Seine Aufgabe: Er muss Stimmung machen. Wenn Heidi Klum gleich ihre Arme hochreißt, instruiert er nachdrücklich, dann soll das Publikum den legendären Satz schreien. Er lautet: „Nur eine kann Germany’s next Topmodel werden.“ Sowieso am besten einfach nur „Ausrasten, ausrasten, ausrasten“, wenn Heidi moderiert.

Es geht los. Schon der Beginn des Spektakels setzt die Fahrtrichtung und Note des gesamten Abends. Höher, schneller, lauter. Von hoch oben schweben die Juroren Thomas Hayo und Michael Michalsky an. Hayo gewohnt in schwarz und breitbeinig stehend. Hat er so mehr Halt? Dauernd zupft er an seinem Jacket herum. Heidi Klum wird derweil von Magier Hans Klok, der optisch an Siegfried von „Siegfried von Roy“ erinnert, heraufbeschworen. Und wehe dem, was da kommt: In einem ultrakurzen weißen Kleid, bestehend aus vielen weißen Fransen, und passenden Fran-senboots stolziert die Klum über ihre Bühne. Bei jedem Schritt schwingt der Fransenteppich mit. „Früher war mehr Lametta“, hätte Loriot dazu gesagt. Das Kleid ist ein bisschen kurz. Auf dem Sofa rückt Heidi es immer wieder zurecht, während Thomas mit seinem Blazer beschäftigt ist, und Michael, was macht der eigentlich? Er versucht, auch gut auszusehen, so wie alle hier.

In den schier unzähligen Pausen dieser schier unendlich scheinenden drei Stunden kann man gut erkennen, wie das hier alles läuft und zu laufen hat. Jede Pause wird Klum von ihren beiden Stylistinnen, die man auch aus dem Fernsehen kennt, neu geschminkt. Alle kämmen, zupfen und schminken sie zurecht. Erst wenn Conférencier Christian den Countdown runtergezählt hat, ist es wieder da, das Heidilächeln. Auf Knopfdruck und absolut professionell. Interessiert sie die Show, wenn sie nicht auf Sendung ist? Wohl nicht. Dann doch lieber heiße und innige Blicke mit Tom austauschen. Hach, kann Liebe schön sein.

Höher, schneller, lauter, schrecklicher. Die Finalistinnen tanzen mit Dragqueens und Cro, bewegen sich zu Rita Ora, shooten mit Rankin und Wincent Weiß, schweben wie Victoria’s-Secrets-Engel über den Laufsteg. Klaudia mit K ge-winnt den Personality-Award und hält eine flammende Rede. Aus riesigen Kanonen wird dabei Konfetti in die Luft geblasen, und das ist wie die Show: irgendwie schön anzusehen und doch ganz schnell vergessen.

Am Ende hat es Toni geschafft und sich gegen Julianna durchgesetzt. Kurz nachdem „Germany’s next Topmodel“ feststeht, stehen die ersten Gäste auf. Heidi zieht ihr Lamettakleid zurecht, Thomas seinen Blazer. Im Rampenlicht steht — zumindest für diesen Moment — Toni. Alle fallen ihr um den Hals. Gratulation. Bussi, Bussi und so. Auch Papis Loveday gratuliert. Ganz stilsicher, ist ja klar. „Bis zum nächsten Mal“ ruft Klum noch in die Menge. Gleich kommen wieder ihre Stylistinnen und machen sie fertig für das Interview mit „Red — das Starmagazin“. Die Halle ist jetzt deutlich leerer. Die Schickeria stakst nach draußen. Bussi, Bussi, bis zum nächsten Jahr. Und jetzt bloß schnell zum Handy.