Was der Auftritt von Semino Rossi über den Schlager verrät
Der österreichisch-argentinische Schlagerstar beglückte sein Publikum in Düsseldorf. Guter Grund, mal über Schlager nachzudenken.
Düsseldorf. Semino Rossi war in Düsseldorf zu Gast. Er präsentierte sein jüngstes Album „Ein Teil von mir“, eingebettet in eine hochprofessionell gestaltete Show. Mit überbordendem Charme beglückte er sein Publikum, ließ sich feiern. Nahezu nach jedem Lied wurden ihm Blumen und Geschenke gereicht — er nahm sich Zeit für jeden Fan, viele von ihnen kennt er schon persönlich.
Man könnte natürlich noch ausgiebig über sein Konzert reden. Über den Moment, wo der gebürtige Argentinier aus Österreich zeigte, dass er eigentlich viel besser im Tangogesang aufgehoben wäre, über seine durchaus angenehme Stimme, über seine Live-Band, die das Beste aus dem musikalischen Material herausholte. Man könnte über seinen Anzug reden, über seine Tänzerinnen, über die richtig gut gemachte Lichtshow.
Aber es ist eben Schlager, und Schlager hat ein Problem — indes sicherlich nicht, wenn man ihn am Erfolg misst (wenngleich die Mitsubishi Electric Halle beileibe nicht überfüllt war). Verächtlich über deutschsprachigen Schlager zu sprechen fällt nicht schwer. Die immer gleichen, austauschbaren und nur mal mit neuem Anstrich versehenen musikalischen Rezepte, die oft vor Banalität strotzenden Texte und die schmalztriefende Präsentation disqualifiziert das gesamte Genre für eine ernsthafte Betrachtung. Eigentlich.
Doch wenn man sich beispielsweise genauer anschaut, was seit einiger Zeit bisweilen im deutschen Pop musikalisch aufgetischt wird, so wird es schwierig, Argumente dafür zu finden, wieso Schlager auf irgendeine Weise minderwertiger sei. Nur weil einige wenige Stellschrauben in der großen Produktionsmaschinerie anders konfiguriert sind, nur weil die Anmutung eine etwas andere ist, heißt das noch lange nicht, dass so mancher Popsong mehr Substanz hätte als die Produkte, die gemeinhin als Schlager bezeichnet werden. Das heißt, wenn man also Schlager als minderwertig abtut, dann muss man diesen Vorwurf auch auf einen Großteil populärer Unterhaltungsmusik ausdehnen. Will man das?
Der große Irrtum hierbei ist, dass Maßstäbe angesetzt werden, die dem Thema nicht gerecht werden. Gibt sich Schlager zwar gerne den Anstrich, geht es hier nicht um Kunst. Nicht um Musik als Kunstrichtung. Es geht um ein Produkt, das nach bestimmten Vorgaben für eine bestimmte Zielgruppe angefertigt wurde. Vergleichbar mit einem Früchtetee, der auf bestimmte Weise gemischt wird und mit einem entsprechenden Etikett versehen ist. Schlager oder aktueller Deutsch-Pop und vieles, was darüber noch hinausgeht, möchte niederschwellig unterhalten. Möchte bei dem Zuhörer ein warmes und behagliches Gefühl erzeugen. Identifikation ist hier ein Zauberwort. Es wird auch folgerichtig so konsumiert. Mit welchen Mitteln dies geschieht und an welches Publikum sich dies richtet, ist dann eine weitere Frage.
Semino Rossi — seit geraumer Zeit sehr erfolgreich auf dem Felde des Schlagers — liefert nun mal überzeugende Produkte für seinen Markt. Und das ist völlig in Ordnung, solange man sich bewusst macht, was es ist.