Düsseldorf Vom geheimen Leuchten der Pflanzen
Eine Ausstellung im Botanischen Garten macht sichtbar, was vor zehn Jahren noch keiner für möglich gehalten hat: Pflanzen leuchten, und zwar in knalligem Rot.
Düsseldorf. Der Andrang vor dem Botanischen Garten ist so groß, dass Andreas Burkart zuerst seinen eigenen Augen nicht traut. Der Biologe führt spätabends durch das Reich der Pflanzen und will dort das sichtbar machen, was seine Fachkollegen und auch er selbst vor zehn Jahren noch kaum glauben wollten. In einer Dunkelkammer inmitten der Orangerie des Gartens kann dieses fast magische Phänomen jetzt aber jeder mit eigenen Augen sehen: Pflanzen leuchten, und zwar in knalligem Rot.
Man merkt Burkart an, dass er selbst noch ganz hin- und weg ist von der Entdeckung, die er seit etwa fünf Jahren erforscht und begleitet, mittlerweile vom Forschungszentrum Jülich aus. „Das rote Licht, das alle grünen Pflanzen absondern, ist eine Art Abfallprodukt der Photosynthese“, erklärt der Biologe den rund 60 Teilnehmern der Nachtführung. Normalerweise verwandeln Pflanzen das Licht der Sonne und das Kohlendioxid aus der Luft mit Hilfe von Wasser in Sauerstoff und Energie, um zu wachsen. Dieser Vorgang nennt sich Photosynthese.
Andreas Burkart, Biologe
Die Energie, die daraus entsteht, kann aber verschiedene Wege gehen. Ein Großteil wird gespeichert, wenige Prozent aber werden als rotes Licht wieder abgestrahlt. „Uns Pflanzenforschern gibt die Entdeckung dieses Leuchtens direkte Einblicke in die Biochemie der Pflanzen, die sonst verborgen im Blatt stattfindet“, sagt Burkart. Und zwar in die des Basilikums genau so wie in die der deutschen Eiche.
Sichtbar machen lässt es sich nicht nur im Labor, sondern mit ganz einfachen Methoden auch unter freiem Himmel bei Dunkelheit. Oder eben auch tagsüber in der Dunkelkammer der Forscher, die noch bis Anfang September in der Orangerie für jedermann zugänglich ist. Dort haben Besucher die Möglichkeit, verschiedene Pflanzen mit blauem Licht aus einer Taschenlampe anzustrahlen. Dieses Licht überdeckt nicht, wie das weiße Licht, das unsere Welt am Tag beherrscht, den Rotanteil im Licht, den die Pflanzen ausstrahlen. Der Besucher muss dann nur noch durch eine gelbe Brille schauen, damit der rote Teil des Lichtes unverfälscht sichtbar wird.
„Einfach faszinierend“ finden das die meisten Besucher, „das ist ja genial“, ruft eine Frau verblüfft aus. Besonders spannend: Auch Wasseralgen leuchten, wie der Blick durchs Aquarienglas zeigt. Wer ein bisschen herumexperimentiert stellt aber auch fest: Die Unterseite der meisten Blätter strahlt nicht oder nur sehr schwach. „Dort wird ja auch kaum Photosynthese betrieben“, erklärt Burkart. „Die findet natürlich vor allem auf der Oberseite des Blattes statt, die dem Licht zugewandt ist.“ Ebenso wenig leuchten Blüten oder Früchte der Pflanzen.
Für die Wissenschaftler eröffnen sich durch die Entdeckung dieder so genannten Chlorophyllfluoreszenz ganz neue Perspektiven. Denn: „Dieses rote Leuchten kann als Indikator dafür angesehen werden, wie gut es einer Pflanze geht“, sagt Burkart.
Seine These: Je stärker eine Pflanze leuchtet, desto mehr Photosynthese betreibt sie. Desto gesünder ist sie und desto schneller wächst sie auch. Ist sie dagegen gestresst oder krank, betreibt sie weniger Photosynthese — und leuchtet entsprechend schwächer.
Forscher messen die Photosynthese-Aktivität mit Detektoren direkt am Blatt. Größere Areale können mittels moderner Sensorik vom Flugzeug aus erfasst, oder in einigen Jahren sogar mit Hilfe von Satelliten kartiert werden. Das soll es in Zukunft ermöglichen, ganze Wälder zu beobachten und so Erkenntnisse darüber zu bekommen, wie gut es den Bäumen geht. „Auch in der Landwirtschaft könnte die Methode eingesetzt werden, um den Zustand von Feldern mit Nutzpflanzen zu erfassen“, sagt Andreas Burkart.
Voraussichtlich im Jahr 2022 könnten dann Satelliten mit entsprechenden Sensoren ins All geschickt werden. Damit könnten womöglich auch weitere Rätsel geklärt werden: „Zum Beispiel, wann im Frühjahr die Photosynthese in Nadelwäldern einsetzt, weil die ja immer grün sind, aber nicht immer Photosynthese betreiben“, sagt der Biologe. „Für die Pflanzenforschung ergibt das großartige Möglichkeiten.“