Geschichte Warum Teile der Berliner Mauer in Düsseldorf stehen
Düsseldorf · Ein Unternehmen mit Sitz im Hafen half dabei, den Grenzwall zu zerkleinern. Zwei Elemente befinden sich am Firmensitz, ein weiteres Stück Mauer am Stadttor.
Dicke rote Tränen laufen über die Buchstabenfetzen des Graffito. Oder sind es Bluttropfen? Symbolträchtig ist es allemal, was da auf Düsseldorfs bekanntestem Stück Berliner Mauer zu sehen ist. Es steht im Bilker Rheinpark, fast in Wurfweite von Stadttor, Landtag und Fernsehturm. Das Element ist ein klassisches Verbindungsstück, 1,20 Meter breit, dreieinhalb Meter hoch und 2,5 Tonnen schwer. Das signifikante, die Mauerelemente oben miteinander verbindende Betonrohr, fehlt allerdings.
Eine Tafel am Fuß der Wand erklärt, wie es zu diesem Standort kam. Der Leser erfährt, dass es sich um ein Geschenk der „Bild-Zeitung“ handelt. Jedem Bundesland lies die Axel Springer AG eines zukommen. „In Erinnerung an den Zeitungsgründer, der gegen alle Widerstände an seinem Traum von der Einheit Deutschlands festhielt.“
Doch dieses Mauersegment ist nicht das einzige, was in Düsseldorf zu besichtigen ist. Es gibt noch zwei Stücke, die zu einem Kunstwerk wurden, und bei Remex im Hafen Am Fallhammer 1 stehen. Der Grund: Das Entsorgungs- und Recycling-Unternehmen half in Berlin in einer Arbeitsgemeinschaft mit, die zuvor demontierten Mauerelemente zu schreddern. „Das ist Teil unserer Firmengeschichte und ein historisches Ereignis gewesen, das wollten wir entsprechend würdigen“, sagt Prokurist Berthold Heuser. So wurde im Jahr 2008 Künstler Reimund Franke beauftragt. Er fertigte drei Bronzefiguren, die die Mauer erklimmen. Eine Skulptur sitzt schon oben und reckt die Arme in die Höhe.
Einer, der die Arbeiten damals als Controller begleitete, ist Andreas Gebauer. Inzwischen ist der heute 61-Jährige zum kaufmännischen Leiter aufgestiegen und erinnert sich im Gespräch mit unserer Redaktion an die damalige Zeit. 1991 bekam das Düsseldorfer Unternehmen den Auftrag für die Entsorgung der Mauerteile, 1992 stieß Gebauer zum Unternehmen. „Ich saß zwar die meiste Zeit in Duisburg, habe die Baustelle damals allerdings auch besucht.“ Um die mit viele Eisenteilen versetzten Mauerstücke kleinzukriegen, mussten zwei Spezialmaschinen – so genannte Schlagwalzenbrecher – konstruiert werden. Sie konnten ein ganzes Mauerlement aufnehmen und in 25 Sekunden zerbröseln. Ein Großteil des Schutts mit einem Gesamtgewicht von mehreren 100 000 Tonnen wurde dann als Unterlage für das Straßenpflaster in Berlin wiederverwendet.
„Die Bauarbeiten gaben ein imposantes Bild ab. Auf einem riesigen Gelände türmten sich Eisenreste und Betonschutt neben noch ganzen Mauerstücken zu Bergen auf, die Schredderarbeiten hüllten alles in eine Staubwolke.“ Gebauer ist die Zeit des Kalten Krieges noch sehr bewusst. Er erinnert sich etwa an die unangenehmen Grenzkontrollen bei der Einreise in die DDR. „Das war immer komisch.“ Auch deshalb ist ihm die Zeit der Wende noch sehr präsent. „Vor allem die Erinnerung an unsere Arbeit habe ich noch klar vor Augen.“ Unterm Strich sind es wohl rund 100 Kilometer Mauer gewesen, die von den Arbeitern zerkleinert wurden. Die Gesamtlänge der Mauer: 155 Kilometer.
Ein paar Elemente bewahrten die Arbeiter jedoch auf. So wurde das Kunstwerk möglich, das heute im Düsseldorfer Hafen steht, und die Menschen immer noch in den Bann zieht. „Es bleiben oft Passanten und Besucher davor stehen, das kann ich aus meinen Büro sehr gut beobachten“, sagt Heuser. Er werde auch oft auf das Kunstwerk mit dem Titel „Aufbruch“ angesprochen. Gebauer berichtet von einem Kollegen, der neulich mit seinen Kindern im Kino einen Film über die Zeit des geteilten Deutschlands gesehen hatte. „Danach fuhr er mit ihnen in den Hafen, um ihnen ein echtes Stück Mauer zu zeigen.“