Rückkehr zum Unterricht Holpriger Start für die Förderschulen
Düsseldorf · Am Montag, den 25. Mai öffnet die Franz-Marc-Schule wieder. Das hat die Schulleitung in der Woche zuvor erfahren. Das sei zu wenig Vorlauf.
Franka mag klare Regeln, noch lieber hält sie sich daran. „Regelverliebt“ nennt sie ihre Mutter und erzählt, dass die 16-Jährige niemals vergessen würde, ihren Mund-Nasen-Schutz aufzusetzen, bevor sie einen Supermarkt betritt. Ob Franka aber auch an Hygiene- und Abstandsregeln denken wird, wenn sie zum ersten Mal nach zehn Wochen ihre Freundinnen wiedersieht, kann ihre Mutter nicht abschätzen. „Sie ist doch sehr aufgeregt“, sagt Svenja Kruse-Glitza.
Franka ist geistig behindert und besucht die darauf spezialisierte Franz-Marc-Förderschule am Lohbachweg. Während andere Förderschulen bereits wieder geöffnet sind, findet an den Schulen mit den Förderschwerpunkten „geistige Entwicklung“ sowie „körperliche und motorische Entwicklung“ erstmals am heutigen Montag wieder Unterricht statt. Das Land begründet die späte Schulöffnung damit, dass die Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln, die Bereitstellung von besonderem Schutzmaterial und die Organisation des Schülertransports insbesondere an diesen Förderschulen „ganz besondere Herausforderungen für die unterschiedlichen Beteiligten vor Ort“ darstellen. Deshalb seien weitere Klärungen notwendig gewesen, um Lehrkräfte sowie Schüler bestmöglich schützen zu können. Susanne Lamche, Leiterin der Franz-Marc-Förderschule kann das nur unterstreichen. „Wir sind vor eine extreme Herausforderung gestellt worden“, betont sie. Und meint dabei vor allem die Kommunikation des Ministeriums, den zeitlichen Ablauf der Entscheidungen und die Erwartung, diese so kurzfristig umgesetzt zu bekommen.
Am vergangenen Dienstag erreichte Susanne Lamche die E-Mail des Ministeriums, dass die Schule am Montag wieder öffnen darf. Das Konzept lag zu dem Zeitpunkt schon in ihrer Schublade - wie der Unterricht organisiert werden kann, wie die Schüler in Gruppen, die Gruppen auf Tage und in Räume eingeteilt werden können und wie viel Unterricht überhaupt angeboten werden kann trotz der fehlenden, zur Risikogruppe zählenden Lehrer – 40 Prozent der Unterrichtsstunden fallen dadurch weg. Das Konzept hatte das Schulleitungsteam mit Lehrerkollegen ausgearbeitet, als es vergeblich auf weitere Informationen des Ministeriums wartete. Die letzte E-Mail hatte die Schule nämlich Anfang Mai erreicht. Und darin wurde festgehalten, dass die Schule bis 15. Mai geschlossen sein wird. „Da erwartete man ja schon, dass man einige Tage vor dem 15. Mai eine Information erhält, wie es weitergeht. Die kam aber nicht“, sagt Susanne Lamche. Die nächste Mail sei schließlich die Ankündigung der Öffnung gewesen – am Dienstagnachmittag, 19. Mai. Es blieben für die Organisation also - abzüglich des Feiertags - zwei Tage bis zum Schulstart.
Was Regelschulen schon ins Schwitzen bringt, stelle Förderschulen da noch mal vor ganz besondere Herausforderungen, sagt Lamche. Schließlich seien, wie das Ministerium selbst in seinem Schreiben formuliert hatte, viele Dinge zu beachten: Die Kinder haben Integrationshelfer, die sie im Unterricht begleiten. Das Personal in der Schule benötigt spezielle Schutzausstattung wie Kittel mit Ärmeln, Schutzvisiere und FFP2-Masken, weil Kinder körpernahe Pflege benötigen, teilweise gewickelt werden, Abstandsregeln nicht einhalten können und selbst keinen Mund-Nasen-Schutz tragen können. Und: Die meisten Schüler kommen mit dem Bus, dem Schülerspezialverkehr, zur Schule. All diese Punkte gilt es vor der Schulöffnung zu organisieren. Ohne genügend zeitlichen Vorlauf eine kaum lösbare Aufgabe.
Gute Nachrichten hat Susanne Lamche zumindest, was die Integrationshelfer angeht. Die Kollegen konnten alle erreichen – sie sind zum Schulstart wieder im Einsatz. Schlechte Nachrichten kamen hingegen von den Busunternehmen: Sie sehen sich nicht in der Lage, vor Pfingsten Fahrten zu übernehmen. „Bis dahin müssen die Eltern die Kinder also bringen“, bedauert Lamche. Von einigen Eltern habe sie die Rückmeldung, dass Kinder deshalb noch zu Hause bleiben müssen. Die fehlende Schutzausstattung bereitete der Schulleitung bis zuletzt große Sorgen. Am Tag des Schulstarts fehlen noch immer Kittel mit Ärmeln und die zum Schutz der Lehrkräfte so dringend erforderlichen FFP2-Masken. Einige Schutzvisiere konnte Susanne Lamche am Freitag noch besorgen.
Die Schulleiterin freut sich auf die Schüler, das betont sie immer wieder, trotz der ganzen Hektik. Und auch die meisten Familien sehnen sich danach, etwas Struktur zurückzugewinnen. Svenja Kruse-Glitza als Elternpflegschaftsvorsitzende weiß, dass viele Eltern, die ihr schwerbehindertes Kind zu Hause betreuen mussten, an ihre Grenzen gestoßen sind. „Es hätte ja schon geholfen, wenn die Familien etwas Entlastung durch die Integrationshelfer bekommen hätten. Aber die durften das nicht, sie wurden in Kurzarbeit geschickt. Das ist mir völlig unverständlich“, ärgert sich die dreifache Mutter.
Auch für sie seien die vergangenen zehn Wochen ein anstrengender Spagat gewesen. Nun wird sie Franka, die normalerweise mit dem Bus zur Schule fährt, die ersten Tage zur Schule fahren und sie mittags wieder abholen müssen. Damit ihre Tochter wieder etwas Normalität, etwas Alltag zurückbekommt. Viele andere Schüler, deren Eltern keine Zeit oder kein Auto haben, werden sich noch weiter gedulden müssen.