Immobilienpreise Wir spielen Monopoly: Die Schlossallee und die Badstraße von Düsseldorf

Düsseldorf · Der Immobilienrichtwert des Landes zeigt die teuerste und die günstigste Straße der Stadt. Wir haben beide besucht.

Laura Krewerth-Werner, ihr Mann Max, Tochter Amelie und Hund Henry wohnen in der Weißen Siedlung in Golzheim.

Foto: Nele Dohmen

Wir spielen jetzt Monopoly. Dieses Spiel, das schon Freundschaften beendet und Familienverhältnisse zerrüttet haben soll. Jeder hatte es immer auf die Schlossallee abgesehen, die teuerste Straße des Spiels. Die Badstraße, die günstigste, war freilich weniger beliebt. Welche Straße wäre wohl die Schlossallee und welche die Badstraße von Düsseldorf?

Tatsächlich gibt es bereits eine Ausgabe des Brettspiels mit Düsseldorfer Straßennamen. Die sind allerdings weniger realistisch als zufällig ausgewählt. Das Pendant der Badstraße ist da die Festwiese in Oberkassel, auf der man (und das ist ja das Ziel des Spiels) wohl kaum ein Haus oder gar ein Hotel bauen könnte, und die Schlossallee wird hier von der Königsallee gegeben. Letztere ist sicher ein lukrativer Standort, allerdings nicht die Spitze des Eisbergs.

Als Grundlage für unsere Suche nehmen wir das Bodenrichtwertinformationssystem Nordrhein-Westfalen, kurz BorisPlus-NRW genannt. Das Ergebnis: Die absolut höchste Zahl, 8800 Euro pro Quadratmeter bei Ein- und Zweifamilienhäusern, ist rund um die Erwin-von-Witzleben-Straße in der Weißen Siedlung in Golzheim zu finden. Der insgesamt niedrigste Wert, 1400 Euro pro Quadratmeter, ist um die Emil-Barth-Straße in Garath – allerdings in der Kategorie Mehrfamilienhäuser, Ein- und Zweifamilienhäuser gibt es hier beispielsweise gar nicht. Dafür aber noch Eigentumswohnungen (2600 Euro pro Quadratmeter) und Reihen- und Doppelhäuser (2950 Euro pro Quadratmeter). Rund um die jeweilige Straße bedeutet: Der Obere Gutachterausschuss für Grundstückswerte NRW definiert ein Richtwertsgebiet, das eben nach einer Straße benannt wird (siehe Grafik). Diese beiden Straßen haben wir uns angeschaut.

Erwin-von-Witzleben-Straße

Die Weiße Siedlung in Golzheim ist tatsächlich weiß. Zumindest die Fassaden der spitzgiebeligen Häuser. Schön ist es hier, aber auch teuer. Die Siedlung ist in den 1930er Jahren von den Nazis als Prestige-Projekt für die Reichsausstellung Schaffendes Volk gebaut worden, die 1937 sechs Millionen Menschen angelockt hatte. Die Siedlung war als Mustersiedlung für Führungskräfte aus Politik, Wirtschaft und Kunst und ihre Familien angelegt worden. Heute sind die Straßen nach Gegnern des Dritten Reichs benannt.

Ein Vorgarten an der Erwin-von-Witzleben-Straße.

Foto: Nele Dohmen

An der Ecke zur Karl-Kleppe-Straße steht ein schwarzer Rolce-Royce. In dem hübschen weißen Haus dahinter ist das Hotel Ashley’s Garden von Laura Krewerth-Werner (31) und ihrer Familie beheimatet. Sie ist hier aufgewachsen und betreibt heute mit ihren Eltern das Haus mit Restaurant und wohnt gleich nebenan. Gerade macht sie sich mit ihrem Mann Max Werner (37), ihrer elf Monate alten Tochter Amelie und dem riesigen Hund Henry auf zu einem Vormittags-Spaziergang. Amelie übt fleißig auf ihrem Laufrad, die Eltern müssen sie immer wieder einfangen. „Die Nachbarschaft hier ist familiär“, sagt Laura Krewerth-Werner. „Bald ziehen auch Freunde von uns her, die jetzt auch ein Kind haben, darauf freuen wir uns schon“, ergänzt ihr Mann, der mit historischen Autos handelt und Rennfahrer ist. Insgesamt werde die Nachbarschaft wieder jünger. Oft seien es Erbschaften, die neue Bewohner holten. Aber eben nicht nur.

Ein Blick auf die Erwin-von-Witzleben-Straße in Golzheim.

Foto: Nele Dohmen

Und das beobachtet einer der Bewohner der Erwin-von-Witzleben-Straße (da er seinen richtigen Namen nicht nennen wollte, nennen wir ihn Otto Kanzler) nicht nur mit Wohlwollen. Er steht im Vorgarten seines Hauses und harkt Laub. „Gehen Sie mal zu der Straße auf der Rückseite meines Hauses. Da finden Sie nur noch Schottervorgärten, die man abkärchern kann“, sagt er. Dort lebten viele „Neue“. Und vor den Garagen stünden riesige SUV, die er bewusst wie „Suff“ ausspricht. „Schließlich saufen diese Autos ja auch ohne Ende Treibstoff“. Es sei eine ganz bestimmte Klientel, die es sich noch leisten könne, hier zu kaufen. Manchen sei heute sogar das Erben eines dieser Häuser zu teuer, wegen der Instandhaltungskosten, der Grundsteuer und anderen Nebenkosten.

Otto Kanzler ist 80 Jahre alt, er macht die gesamte Gartenarbeit noch alleine. Die großen Hortensienbüsche vor dem Haus standen schon da, als er vor 35 Jahren mit seiner Familie hier eingezogen ist. Über dem Wintergarten hinter seinem Haus wachsen Glyzinien. Und wenn das Glasdach gereinigt werden muss, dann steigt er eben selbst aufs Dach. Dass er seinen Namen nicht nennen will, ist auch eine Frage der Sicherheit. Sonst könnte er nicht erzählen, dass das Hundegebell bei Bewegungen vorm Haus vom Band kommt, wenn keiner zu Hause ist. „Natürlich wird hier in der Gegend eingebrochen“, sagt er. Auf der „Schlossallee“ ist eben nicht alles schön.

Emil-Barth-Straße

Die Emil-Barth-Straße in Garath ist mit dem Auto 30 Minuten von Golzheim entfernt. Dort angekommen zeigen sich Häuser, auch Hochhäuser, aber mit dem Klischee-Plattenbau hat das hier wenig zu tun. Entsprechend überrascht sind auch die meisten, dass sie hier auf der „Badstraße“ leben sollen.

„Hier ist es am billigsten? Sind Sie sicher?“, fragt Roswitha Borschert (67), die mit Ingrid Werres (78) auf den Bus an der Haltestelle wartet. Nun ja, nicht direkt auf dieser Straße, in diesem Richtwertgebiet, das eben nach ihrer Straße benannt ist. „Es gibt nämlich noch andere Ecken hier in Garath“, sagt Borschert. Mit ihrer Emil-Barth-Straße sind beide an sich sehr zufrieden. Es gibt den Bus, die S-Bahn und Einkaufsmöglichkeiten. „Hier ist es auch noch besser, aber weiter unten fehlen jetzt alle Einkaufsmöglichkeiten“, sagt Ingrid Werres. Und was ist mit Garath 2.0, das Konzept, das den Stadtteil wieder nach vorne bringen soll? „Ach, was wir wirklich brauchen, ist wieder eine bessere Nahversorgung im Süden. Vor allem für die Alten ist das ein Problem. Ob die Namen der Viertel jetzt umbenannt werden, hilft da wenig“, sagt Werres.

Roswitha Borschert (67) mit Ingrid Werres (78) steigen an ihrer Haltestelle in den Bus.

Foto: Nele Dohmen

Dann gehen wir jetzt in den südlichen Teil der Straße. Noch größere Hochhäuser gibt es hier. Dort wartet ebenfalls eine Dame auf den Bus. Sie ist 81 Jahre alt – was man nicht sieht – und möchte ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen. Aber sie wohnt schon seit 56 Jahren hier. „Das ist meine Heimat, hier sind meine Kinder groß geworden“, erzählt sie. Garath ist ein Stadtteil, der in den 1960er Jahren für junge Familien gebaut wurde. Unmittelbar am Naturschutzgebiet gelegen und mit sehr vielen Spielplätzen. Die sind heute zu einem großen Teil sanierungsbedürftig. „Das hat sich hier schon sehr verändert“, sagt die 81-Jährige. Sehr traurig sei der Wegfall der Kirche vor etwa zehn Jahren gewesen, die bis dahin auch als Treffpunkt und Kulturstätte fungiert hätte. Die Frau wirkt sehr vernetzt in ihrem Viertel, während des kurzen Gesprächs trifft sie auf zwei Nachbarn, beziehungsweise gute Bekannte. „Früher waren das aber mehr Bekanntschaften“, sagt sie. „Es ist ja auch kein Wunder, die Leute ziehen weg und neue kommen dazu. Und an die Jungen haben wir ja nicht mehr so den Anschluss.“ Was man hier verändern sollte? „Ach, das sollen die Jungen entscheiden. Wir haben uns damals viel eingebracht. Heute müssen wir Alten das nicht mehr.“

Die Emil-Barth-Straße in Garath: Hier ist der niedrigste Immobilienrichtwert der Stadt zu finden.

Foto: Nele Dohmen

Am Ende treibt die Menschen an beiden Straßen besonders eines um: Veränderung. Die jüngeren sind die Veränderung, die älteren betrachten diese mal wohlwollend, mal mit einem Stirnrunzeln. Aufhalten kann sie aber keiner.