Stadt-Teilchen Man kann Frank Zappa überall feiern – nur nicht hier
Düsseldorf · Vor 50 Jahren erschien „Hot Rats“ von Frank Zappa. Wir nutzen den Jahrestag, um die Frank-Zappa-Straße zu besuchen.
Hey da, Leute, ich bin Robert Braun, man sagt, ich sei der süßeste Typ im Raum. Mein Auto ist schnell, meine Zähne strahlen shiny, ich sag all den Mädchen: Komm und küss meinen Heini.“ Nein, das stimmt natürlich nicht. Ich bin weiter ich, und solche hemmungslosen Selbstbeweihräucherungen samt expliziter Handlungsanweisungen kommen mir normalerweise nicht über die Tastatur.
Aber seit Mittwoch ist alles anders. Da wollte ich ganz naiv den Schöpfer dieser Lyrik ehren und habe kurzerhand mal die Anfangszeilen seines populärsten Hits übersetzt. Der heißt „Bobby Brown“, befasst sich sehr ironisch mit der Selbstdarstellung eines schwer üblen Highschool-Helden und stammt natürlich, Kenner wissen das längst, von Frank Zappa.
Der hätte am Mittwoch seines Todestags im Jahre 1993 gedenken können, wenn er den denn noch hätte erleben können. Allerdings hat das mit dem Überleben seiner selbst noch niemand hinbekommen, weshalb ich kurzerhand das Gedenken übernommen habe an jenem Tag, da sich der Moment jährte, an dem der Prostatakrebs den berühmten amerikanischen Musiker niedergestreckt hat. Ich fand, dass es doppelten Anlass gab, Zappa zu ehren, denn es ist zufällig auch 50 Jahre her, dass sein wegweisendes Album „Hot Rats“ erschien. Das ist vor allem berühmt geworden durch die Titel „Willie The Pimp“ und „The Gumbo Variations“, die zeigten, wie frei man schon Ende der Sechziger Jahre zwischen Rock und Jazz oszillieren konnte.
Ich hatte mein „Hot Rats“-Vinylalbum schon vor Jahren verschenkt, weil ich jemanden von Zappas Ideenreichtum überzeugen wollte, weil ich demonstrieren wollte, wie subversiv er schon früh mit Konventionen hantierte, wie er sich sträubte gegen alles, was man musste. Das war musikalisch noch viel viel mehr als in der allgemeinen Erinnerung verankert scheint, wo sich die meisten vor allem an „Bobby Brown“ und das Poster erinnern, auf dem Zappa auf dem Klo zu sehen ist.
Ich erinnerte mich, dass es in Düsseldorf seit über vier Jahren eine Frank-Zappa-Straße gibt und ich noch nie dort gewesen bin. In meinem Gedächtnis war bislang nur hinterlegt, dass es damals einen ziemlichen Aufstand gegeben hat, weil nicht alle in der zuständigen Bezirksvertretung mit der Benennung einverstanden gewesen waren, einige Zappa-Fans die Benennung aber trotzdem durchgesetzt hatten.
Dass nicht alle immer mit Zappa einverstanden waren, ist nicht neu. Ich denke da etwa an eine Kritik seines Konzerts, das er Ende Mai 1982 in der Philipshalle vor 3300 Zuschauern gab. Da schrieb der Rezensent, beim Konzert habe der „ehemalige Bürgerschreck“ und einstige Kritiker von Rock-Konventionen gewirkt wie der Leiter eines Rocktheaters, das nur noch wenig Durchschlagskraft besitzt. „Doch die Glaubwürdigkeit von Zappas Bemerkungen zur Rockmusik, seiner satirischen Zitate und frechen Absurditäten, leidet arg, wenn er sich zur Zugabe den Gesetzen eben jener attackierten Rock-Maschinerie unterwirft und seinen Hit ‚Bobby Brown‘ spielt“, stand in einer Düsseldorfer Zeitung.
Ich erinnere mich sehr gut an diesen Quatsch, weil ich ihn damals selbst geschrieben habe. Ich war in meinen Zwanzigern gefangen und ahnungslos, wie man als Twentysomething nun mal so ist. Erst viel später habe ich kapiert, was Zappa für den Rock, für den Jazz und für die kreative Welt wirklich bedeutete.
Natürlich unternahm ich den Weg zur Frank-Zappa-Straße nicht nur, um seines Todestages zu gedenken, ich wollte natürlich auch ein bisschen den Unsinn ungeschehen machen, den ich damals verfasst hatte. Ich war halt jung und brauchte das Zeilengeld. Ich druckte mir also das Cover von „Hot Rats“ aus und packte mir die zugehörigen Titel auf mein Smartphone, um sie auf der Frank-Zappa-Straße zu hören. In Memoriam.
Meine Unternehmung ging dann ziemlich schief, was nicht an schlechter Organisation liegt, sondern an dem Umstand, dass die Frank-Zappa-Straße eine einzige Enttäuschung ist. Das beginnt erst einmal mit dem Umstand, dass die Straße keine richtige Straße ist, sondern ein Gehweg, der sich zwischen nigelnagelneu wirkenden Gebäuden durch eine Art Schattenschlucht windet. Der Weg beginnt an der Luise-Rainer-Straße, und er endet an eben dieser, ist also so etwas wie ein verkümmerter Blinddarm der Verkehrsplanung.
Ich war also schließlich dort, wo ich sein wollte. Ich ging auf, ich ging ab. Ich versuchte verzweifelt einen Hauch von Zappas Geist einzuatmen. Ich klebte mein ausgedrucktes „Hot-Rats“-Cover an einen Laternenpfahl, aber der stieß das Papier schon nach ein paar Sekunden wieder ab. Man will den Zappa hier offensichtlich nicht. Man schmückt sich mit dem Namen, aber den Geist will man hier nicht.
Ich probierte es mit Autosuggestion. Ich knallte mir „The Gumbo Variations“ auf die Ohren, was ein ganz kleines bisschen half. Auf einmal hatte ich das explodierende Saxophon dieser Rockjazzexpedition im Hirn, was den Anblick der sauberen Zweckbauten ein wenig erträglicher machte. Dann das toll wirre Geigensolo von Don „Sugarcane“ Harris – eine Erweckung. Ich stellte mir vor, die Band gäbe es weiterhin, und Zappa lebte noch. Er käme dann mit seinen Kumpels von einst irgendwann hierhin, und dann würden sie mitten in der Nacht hier „The Gumbo Variations“ intonieren, so richtig schräg, so richtig abenteuerlich, so richtig unvorhersehbar.
Dann aber nahm ich die Kopfhörer wieder ab und wurde augenblicklich erneut umspült von der sauberen Zweckmäßigkeit dieser schnieken Wohnbebauung, in der mit Sicherheit „Willie The Pimp“ fehl am Platze wäre, in der nach dem äußeren Anschein eher jene Typen residieren, die Zappa als Vorlage von „Bobby Brown“ erwählt hat. Stimmt natürlich nicht, aber Enttäuschung gebiert so manchen kruden Gedanken.
Ich machte frustriert ein paar Fotos und beschloss, mein Gedenken frühzeitig zu beenden. Tut mir leid, lieber Frank, aber deinen 79. Geburtstag am 21. Dezember feiere ich lieber woanders, nicht in der nach dir benannten Straße. Die sollte man schleunigst umbenennen. So geschniegelt und seelenlos wie sie wirkt, könnte sie eher Helene-Fischer- oder André-Rieu-Straße heißen, aber nicht deinen Namen besudeln.
Ich denke, ich treffe mich mit Gleichgesinnten irgendwo, wo Unordnung die Tagesordnung stört. Am Rheinufer oder an der Bilker Allee, wo der Schutt der „Brause“ an die Skrupellosigkeit von Bauunternehmern erinnert. Letztlich ist es aber egal, wo wir Zappa-Fans feiern. Es geht überall. Nur nicht in der Frank-Zappa-Straße.