Wie politisch Tanz sein kann
Die Eröffnung der Internationalen Tanzmesse NRW stand ganz im Lichte Chinas. Doch rückte auch die politische Kraft dieser Kunstform in den Fokus.
Düsseldorf. Bei aller Internationalität des Tanzhauses NRW hat man es nicht alle Tage, dass das Gelände die gesamte zeitgenössische Tanzwelt zeitgleich zu beherbergen scheint. Dazu bedarf es schon der Internationalen Tanzmesse NRW mit seiner weltweiten Anziehungskraft. Eröffnungen von Branchentreffen dieser Dimension versprühen immer eine ganz außergewöhnliche Stimmung. So viele Charaktere unterschiedlichster Art aus einer Szene an einem Ort lassen bildlich gesprochen die Luft brennen. Wenn sich ein Funke besonderer Inspiration entzünden kann, dann gewiss hier, zeitigt er wohl auch seine Konsequenzen meist erst im Nachklang in der kontemplativen Retrospektive.
Dieses Jahr blicken bei der Tanzmesse alle gen Fernost. China als offizielles Partnerland — eine Premiere — dominierte somit auch den Eröffnungsabend. Zu dem neben dem Ausrichter, das Landesbüro Tanz in Persona vertreten durch Klaus Schäfer, auch der Generalkonsul der Volksrepublik Feng Haiyang geladen hatten. Mit gewissem Stolz auf die dort aufkeimende Tanzszene, die an dem Abend durch einen Auftritt des Tao Dance Theaters aus Peking eindringlichst repräsentiert wurde.
Mit „6“ und „7“, zwei Choreografien von Tao Ye, in ihrer puren, fast ins Unerträgliche gesteigerten Anmutung von Avantgarde, präsentierte man sozusagen zwei Seiten der gleichen Medaille. Eine leicht diagonal aufgestellte Reihe von Tänzern, die in obsessiv anmutenden, indes von Schwung und wiederkehrender Spannung und Entspannung getriebenen Bewegungen die Grenzen der Körperlichkeit zu sprengen schienen. Untermalt zunächst von einem sich tief in das Gemüt bohrenden kargen Klangstrahl, später bei „7“ von Intonationen der Tänzer selbst. Mal in ganz Schwarz, im Nebel kaum sichtbar, dann in hellem gleißenden Weiß. Ein Kommentar auf Jahrzehnte avantgardistischen Tanzes, oder eine ins karikierende überzeichnete Aspiration? In seiner selbstreferenziellen Zirkularität, in der Dichte, eher etwas ermüdend allerdings. Doch zweifelsfrei ein tänzerisches Manifest von Weltrang.
Dieter Jaenicke, neuer Direktor der internationalen Tanzmesse NRW, legte in seiner Ansprache viel Gewicht in die Feststellung, dass Tanz eine sehr politische Kunstform sein könne. „Tanz hat seine eigene Sprache“, führte er aus, diese Sprache könne ihre Inhalte sehr deutlich, aber auch klandestin, also versteckt oder auf beide Weise zugleich zum Ausdruck bringen. Tanz kann mit seinen vielen Sprachen sogar Zensur überwinden.
Dennoch stehe Tanz aus autoritären oder auch religiösen Gründen recht häufig unter der Bedrohung von Verboten. Und doch bahnt sich diese Kunst mit ihrer spirituellen Kraft aus dem menschlichen Körper heraus ihren Weg. „Ich verstehe, wie verwirrend und ängstigend dies für manche Autoritäten sein mag“, sagte er, um zugleich zu fordern, dass man in der Tat das politische Potential von Tanz nutzen solle. Die internationale Tanzmesse als große Zusammenkunft zeitgenössischen Tanzes habe eine Stimme, könne eine Stimme haben. Insbesondere am Herzen lag Jaenicke zudem, dass Künstler niemals für die politischen Handlungen ihrer Regierungen verantwortlich gemacht werden dürften.
Die künstlerische Strahlkraft des Tanzes rückte auch Ursula Sinnreich, Generalsekretärin der Kunststiftung NRW, in ein besonders helles Licht. Auffällig indes, dass bei all den Statements das Wort Musik kein einziges Mal fiel, ist doch Tanz in gewisser Weise das kongeniale Spiegelbild der verklanglichten Kunst. Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen betonte allerdings, dass man die Unterstützung für Tanz auch zukünftig noch intensivieren wolle, so wie man auch Theater und Orchester zunehmend fördere.
Oberbürgermeister Thomas Geisel bekräftigte übrigens darüber hinaus erneut seine Zusage, dem Tanzhaus, der wohl internationalsten Stätte weit und breit für Tanzkunst, die nötige Instandsetzung zu ermöglichen. Eine gute Nachricht für Düsseldorf.
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