Die Tanzmesse zieht eine gute Bilanz
500 teilnehmende Kompanien und eine Auslastung von 77 Prozent: 2019 kann kommen.
Tänzer und Tanz-Begeisterte, Agenten und Choreographen. Sie warten geduldig in einer Schlange auf den Einlass in die letzten Shows der „Internationalen Tanzmesse NRW“ am Samstagabend. Aus aller Herren Länder traf sich die Szene des zeitgenössischen Tanzes während der letzten fünf Tage im NRW-Forum im Ehrenhof, u.a. im Central, Capitol und Tanzhaus NRW. Wenn auch überwiegend Englisch gesprochen wird, so hört man aus einigen Gruppen asiatische Sprachfetzen. Kein Wunder, denn das Haupt-Gastland war dieses Mal China, das sich mit mehreren Kompanien auf Messe-Ständen im NRW-Forum präsentierte.
Dass auch der zeitgenössische Tanz in Fernost blüht und sich in Form und Ausdruck mit Spitzenkompanien in Europa und den USA messen kann, bewiesen einige von ihnen mit Abendprogrammen. Aus Hongkong, Peking, Taiwan und, zum guten Schluss, Guangdong (ehemals Kanton). Die zwölfte Tanzmesse, 1994 als Versuch in der Essener Zeche Zollverein gestartet, zu einem internationalen Kontakthof entwickelt und wegen stetig steigender Bewerbungen in die Landeshauptstadt gewechselt, war für alle Teilnehmer ein Erfolg. Sie kamen ins Gespräch und verhandelten mit Veranstaltern und Event-Agenturen. Mehr noch: „Die Tanzmesse platzt aus allen Nähten“, resümiert Bertram Müller. Der frühere Tanzhaus-Chef (einer der ‚Geburtshelfer’ der Messe), staunt darüber, dass sich immer mehr Ensembles um einen Stand und eine Show-Case bewerben.
Bestätigt wird Müller von Messe-Leiter Dieter Jaenicke: „Die Rate an Kooperationsverabredungen und Engagements hat sich wiederum erhöht.“ Er freut sich: „Ich habe selten bei einer Veranstaltung dieser Größe eine so entspannte, freundschaftliche Stimmung erlebt.“
Er präsentiert eine Bilanz, die sich sehen lassen kann und die Nachfolge-Messe 2020 in Aussicht stellt. An 120 Ständen im NRW-Forum präsentierten sich 500 Kompanien, Institutionen, Tänzer und Dienstleister aus 40 Ländern. An neun Spielorten wurden in etwa 50 Performances und 60 Kurzprogrammen und Open Studios Produktionen von mehr als 100 Kompanien aus allen Regionen der Welt gezeigt, darunter Vertreter aus Nord- und Schwarz-Afrika. Mit etwa 7000 verkauften Tickets für die Abendprogramme erzielte man eine Auslastung von 77 Prozent. Einige Shows, wie „#minaret“ von Omar Rajeh, hätten sie mehrere Male verkaufen können. So groß war die Kartennachfrage. In seiner fesselnden Performance macht der Libanese Rajeh die Zerstörung von Aleppo zum Thema, Menschenrechts-Verletzung und Zerstörung der Privatsphäre inklusive.
Die enorme Spannbreite zeitgenössischen Tanzes untermauerten Samstag noch einmal Künstler aus mehreren Kontinenten. Ein modernes Tanzstück präsentiert die Modern Dance Company aus Guangdong mit „Sumeru“. Hier schweben und eilen Virtuosen, die gut in neoklassische Choreographien von Martin Schläpfer passen würden, wie ätherische Wesen durch die Luft oder gleiten über den Boden. Die grazilen Chinesen betören durch ein ästhetisches Wechselspiel zwischen tanztechnischer Perfektion und organisch fließenden Bewegungen. Schweißlos und ohne Kraftmeierei führen sie in eine andere Welt, in der die Schwerkraft überwunden scheint und ernten nach 60 Minuten stürmischen Jubel.
In „Shifting Realities“ indes spielten Perfomer aus Mosambik und Europa mit den Zuschauern. Vor ihnen und hinter ihrem Rücken („Umdrehen verboten!“) steigert sich eine ausgelassene Talk- und Mitmachshow zu einem sinnlichen Miteinander. Es raschelt, dann singen und tanzen die Darsteller, zitieren afrikanische Rituale und plappern munter drauflos.