Kommentar Im Zeichen der Seekuh – wie sich die Finanzpolitik Düsseldorfs verändert hat
Düsseldorf · Wo vor zwei Jahren noch stramme Sparpläne geschmiedet wurden, ist man in der Stadtpolitik heute spendabler – auch im Bezug auf knuffige Meeresbewohner.
Die Papiere scheinen aus zwei Welten zu stammen, tatsächlich liegen aber lediglich etwas mehr als zwei Jahre zwischen ihnen. „Nach den ersten Meldungen zu Engpässen bei der Liquidität der Landeshauptstadt haben die Fraktionen der Ampel und der Oberbürgermeister vereinbart, kurzfristig Maßnahmen zu prüfen, die die Liquidität wieder dauerhaft sicherstellen und Spielräume für die notwendigen Investitionen schaffen“, hieß in dem ersten hier erwähnten Papier. Darin folgten drei Ideen: der Verkauf des Flughafengrundstücks, eine Düsseldorfer Bürgeranleihe und der Verkauf des Kanalnetzes an den Stadtentwässerungsbetrieb. Die dritte Idee ist umgesetzt worden, die erste gescheitert und die zweite nach kurzer Diskussion in der Öffentlichkeit zu den Akten gelegt worden.
Wie gesagt: Das liegt nur etwa zwei Jahre zurück.
Jetzt werden Ideen diskutiert, für die ein herzerwärmend knubbeliges Tier als Sinnbild herhalten muss: die Seekuh. Die CDU-Fraktion hat vorgeschlagen, den Aquazoo zu erweitern und Platz für Seekühe zu schaffen – als Alleinstellungsmerkmal für Düsseldorf.
Aus der Kategorie Seekuh-Ideen haben die Fraktionen der Ampel nur bedingt etwas zu bieten, immerhin diskutieren sie eine neue Eishalle für den Düsseldorfer Süden. Und sagen Sätze wie „Wir waren sehr lange diszipliniert, wenn wir jetzt nicht ein paar politische Pflöcke einschlagen, wann dann?“
Die Frage ist falsch gestellt. Es geht nicht um den Zeitpunkt, sondern um die Frage des Pflocks. Oder anders formuliert: Welche Seekuh brauchen wir wirklich?
Zurück in den Sommer 2016: Das erwähnte Papier war die mittelmäßige Schlussfolgerung einer sehr guten Analyse. Die Haushaltslage war damals so beschaffen, dass das Ende der so genannten Schuldenfreiheit drohte. Davon getrieben erkannten die Verantwortlichen damals, dass Düsseldorf ein Problem mit seinem Standard hat, dass hier viele Dienstleistungen und Maßnahmen auf weit überdurchschnittlichem Niveau erfolgen und dass man das überprüfen und reduzieren sollte. Konkrete Dauer-Sparideen wurden damals mit Ausnahme des Projekts Verwaltung 2020 nicht entwickelt. Das erwähnte Resultat der Ampel-Beratungen waren Ideen, wie man auf neuen Wegen zu Geld kommt: eine Mischung aus Tafelsilber verkaufen (Flughafen, Kanalnetz) und sich Geld so leihen, dass es statistisch nicht unangenehm auffällt (Bürgeranleihe).
Unabhängig vom Wert dieser Ideen ist eines sehr zu bedauern. Die Erkenntnis, dass Düsseldorf kein Einnahme-, sondern ein Ausgabeproblem hat, ist ähnlich wie das Papier komplett vergessen worden. Es gibt in den Anträgen für die Haushaltssitzung sehr vernünftige Ideen. Ausgaben im Kampf gegen Kinder- und Altersarmut oder für die Jugendmusikschule zum Beispiel - dafür sollte die Stadt die Momentaufnahme einer gut gefüllten Kasse unbedingt nutzen. Jetzt in Kunstrasenplätze oder Radwege zu investieren, ist ebenfalls sinnvoll, weil dies kurzfristige Ausgaben sind, die Werte mindestens instandhalten.
Aber, wer jetzt anfängt, Ausgaben der Güteklasse neues Opernhaus und, sorry einmal muss es noch sein, Seekuh-Abteilung zu fordern, die die Stadt über mindestens ein Jahrzehnt finanziell binden, der hat verdrängt, wie sehr sich die Lage in nur zwei Jahren verändern kann. Düsseldorf hat noch nicht die passende Finanzstruktur für schwierigere Zeiten, und Geld für die Rücklage ist zwar ehrenwert, aber kein Ersatz dafür.