Nachtkultur Wie steht es eigentlich um die urbane Nachtkultur in Düsseldorf?

Düsseldorf · Letztes Jahr gab der Rat eine Studie in Auftrag, das Nachtleben zu erforschen. Bisher ist es bei dem Plan geblieben.

Benjamin von Stuckrad-Barre bei einer nächtlichen Lesung im Zakk.

Foto: Thomas Frank

Über ein Jahr ist es her, dass die Grünen zu einer sogenannten „Listening Session“ über Düsseldorfs urbane Nachtkultur einluden. „Listening Sessions“ finden in der Musikindustrie statt: Sänger oder Bands laden Journalisten ein, ihre noch nicht erschienene Platte im eigenen Studio oder in Konferenzräumen von Plattenfirmen vorzuspielen, auf dass sie darüber positiv berichten mögen. Mit dem Begriff erwies man der lokalen Musikszene Reverenz, die im nächtlichen urbanen Treiben eine wichtige Rolle spielt.

Hinter der Veranstaltung steckte allerdings ein Fachgespräch. Im Derendorfer Co-Working-Space „Super7000“ diskutierten Stadtforscher, Politiker, Gastronomen, Clubbetreiber, Konzertveranstalter und Vertreter von Kulturvereinen darüber, wie es um das Nachtleben in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt bestellt ist. Welche Rolle spielt die Ausgehkultur wirtschaftlich, touristisch und marketingstrategisch? Wie sicher sind die Bars, Kneipen oder Clubs? Welche Probleme ergeben sich zwischen Akteuren der Nachtkultur, Nachbarn, Ämtern oder Politik? Welche Konzepte für ein „Management des Nachtlebens“ existieren bereits im In- und Ausland und welche lassen sich auf Düsseldorf anwenden? Das Ziel der Veranstaltung bestand darin, Nachtkultur und Nachtökonomie (Nachtleben als Wirtschaftsfaktor) zu Themen der Stadtpolitik zu machen.

Einer, der das seit Jahren fordert, ist Stadtforscher Jakob F. Schmid. Er gilt als Experte für städtische Nachtkultur, gründete das auf Dauer angelegte Forschungsprojekt „Stadtnachacht“ und berichtete beim Fachgespräch über seine Erfahrungen. Bislang wüssten Stadtplaner im deutschsprachigen Raum zu wenig über ihre Nachtkultur. Schmid will dieses Manko beheben. In mehreren deutschen Großstädten hat er das Nachtleben untersucht, zu München, Köln und Mannheim Fallstudien durchgeführt – und daraus Empfehlungen für Stadtplanung und Stadtmarketing abgeleitet.

Für Bochum erstellte Schmid gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer ein Gutachten, das sich mit dem Ausgehviertel „Bermuda3eck“ als Wirtschafts- und Standortfaktor sowie dessen stadtentwicklungspolitischen Potenziale beschäftigte. Bei der „Listening Session“ verständigten sich die Teilnehmer darauf, die urbane Nachtkultur auch zum Thema der Stadtpolitik zu machen. Der Rat hat die Verwaltung beauftragt, eine Pilotstudie auf den Weg zu bringen, die zeigt, wie viele Nachtkulturstätten überhaupt existieren, in welchen Vierteln sie stark vertreten sind, in welchen weniger. Daraus sollten Empfehlungen und Instrumente abgeleitet werden, wie insbesondere die Musik- und Clubkultur, im Rahmen einer integrierten Stadtentwicklung berücksichtigt werden können.

Die Ampel-Koalition stellte dafür 50 000 Euro bereit. Wie steht es um die Studie? „Das ist enttäuschend“, meint Grünen-Fraktionssprecher Norbert Czerwinski, der die „Listening Session“mit initiiert hatte. „Die Verwaltung ist bisher nicht in die Gänge gekommen, weil die einzelnen Ämter das wie so einen ‚Schwarzen Peter‘ immer untereinander herschieben.“ Was nun? „Wir müssen der Verwaltung auf die Füße treten und sagen: Leute, wir haben euch einen Auftrag gegeben, setzt den gefälligst um“, sagt Czerwinski.

Mit der Studie müsse es vor allem auch deswegen vorangehen, weil alternative Stätten der Nachtkultur wie die „Brause“ und das „Damenundherren“ nach ihren Schließungen bislang keine neuen Räume gefunden hätten. „Wenn solche Orte wegfallen, ist das ein kultureller Verlust für Düsseldorf“, so Czerwinski. Das „Damenundherren“ musste ausziehen, weil Nachbarn sich über den Lärm beschwerten. Um solchen „klassischen“ Konflikten entgegenzuwirken, setzen Städte wie New York, London, Amsterdam und seit letztem Jahr auch Mannheim auf sogenannte Nacht-Bürgermeister. Sie sorgen dafür, dass das Nachtleben floriert und vermitteln dafür zwischen Akteuren der Nachtkultur, Anwohnern und Politik. Dazu gehört auch, bei Bedarf neue Räume für Clubs, Bars oder Kulturvereine zu finden. Auch Düsseldorf sollte endlich anfangen, seine Nachtkultur ernst zu nehmen.