Kriminalität Ermittler bräuchten 2000 Jahre - Künstliche Intelligenz soll in NRW Kinderpornos aufspüren

Düsseldorf · Künftig sollen NRW-Ermittler im Kampf gegen Kinderpornografie Hilfe von einem Algorithmus bekommen. Schon nächstes Jahr soll es so weit sein.

Ein Screenshot einer Login-Seite der Kinderpornografie-Plattform «Elysium»

Foto: dpa/Arne Dedert

Die Datenmenge, die allein in NRW bei Verdachtsfällen zu Kinderpornografie aufläuft, übersteigt längst alle Kapazitäten zur Auswertung – und sie wächst weiter. Jetzt hat das Justizministerium ein Forschungsprojekt präsentiert, bei dem Künstliche Intelligenz (KI) in Stunden das Material auswerten soll, für das Ermittler bislang Monate brauchen. Schon kommendes Jahr könnte die Technik einsatzbereit sein. Sie ist angeblich weltweit einzigartig.

Ende März dieses Jahres gab es in Nordrhein-Westfalen laut Justizminister Peter Biesenbach (CDU) 1895 Ermittlungsverfahren wegen Kinderpornografie. Nur in 228 Verfahren davon konnten bis dahin überhaupt Beweismittel ausgewertet werden, 557 Durchsuchungsbeschlüsse warteten auf Vollstreckung. Für die allein im vergangenen Jahr beschlagnahmte Datenmenge von zwei bis drei Petabyte bräuchte ein Ermittler zur Auswertung mindestens 2000 Jahre. Und: „Die Datenmengen werden auch künftig anwachsen“, prognostiziert Biesenbach. Allein durch mehr Personal sei das nicht zu lösen: „Der Kampf kann erfolgreich nur digital erfolgen.“

Bereits seit April 2017, so der Minister, erörtere er mögliche Lösungen mit Oberstaatsanwalt Markus Hartmann, der in Köln die Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime (Zac) NRW leitet. An der Uni Saarland und bei Microsoft Deutschland fanden sie Verbündete für ihr aktuelles Forschungsprojekt, das wohl kurz vor dem Durchbruch steht.

Hauptproblem war, wie die beschlagnahmten Daten einer Künstlichen Intelligenz überhaupt zur Verfügung gestellt werden können. Schließlich, so Hartmann, gehe es um „hochsensibles Material“. Für die rechtlich brisante Frage habe man nunmehr ein Modell gefunden, bei dem die Bilddateien so weit abstrahiert werden, dass kein kinderpornografischer Inhalt mehr zu erkennen ist. Jedenfalls nicht für den Menschen. Der Künstlichen Intelligenz, die diese Datenschnipsel in eine Cloud hochgeladen bekommt, genügen dafür wenige Pixel, erklärt Sabine Bendiek von Microsoft.

KI soll „Assistenzsystem“ sein und Ermittler nicht ersetzen

Der entwickelte Algorithmus habe im Test so bereits sicher Hunde von Katzen unterscheiden und auch Pornografie herausfiltern können. Jetzt muss sich zeigen, ob er auch Kinder in pornografischen Darstellungen erkennen lernt. Hartmann: „Wir werden jetzt mit dem Training mit Echtmaterial beginnen.“

Ziel sei, dass die KI Kinderpornos genau so sicher erkennt, wie die menschlichen Auswerter – nur viel schneller. Wichtig ist laut Bendiek, dass der Algorithmus „ein Assistenzsystem“ für den Menschen ist und dessen Urteilskraft nicht ersetzt. Unbestreitbarer Vorteil: Die KI arbeite „emotionsfrei und ermüdungsfrei“.

Bislang, so Minister Biesenbach, komme nur Software zum Einsatz, die über den digitalen Fingerabdruck eines Bildes bereits bekanntes Material filtern kann. Eine KI, die neue Kinderpornos in Fotos und Videos erkennt, gebe es seines Wissens weltweit nicht. Es sei jetzt eine Frage „von Monaten“, nachzuweisen, dass die KI inkriminiertes Material erkenne. Im kommenden Jahr könnte sie dann in der Praxis eingesetzt werden.