Direkt die Frage an den Progrocker: Bist du Team Genesis oder Team Yes?
Grobschnitt „Wir haben alle Säle der Republik abgefackelt“
Interview | Düsseldorf · Grobschnitt kehrt als Akustiktrio zurück. Ihr Gitarrist erzählt, warum die Kultband früher oft von der Polizei angehalten wurde.
Philipp Holstein
führte das Gespräch
Wer den Namen der Band Grobschnitt hört, dürfte an die 1970er-Jahre denken, an Konzeptalben und Konzertereignisse mit Klamauk-Einlagen und Pyrotechnik. Zwischen 1974 und 1980 war die große Zeit der Kraut- und Progrock-Gruppe aus Hagen, damals erschienen die teils von Kraftwerk-Produzent Conny Plank eingerichteten Klassiker „Jumbo“, „Solar Music“ und natürlich „Rockpommel’s Land“ über den Tagträumer Ernie und den Vogel Maraboo. Nun sind Grobschnitt wieder da, als Trio und mit einem Akustikset. An diesem Samstag spielen sie im Savoy in Düsseldorf. Wir sprachen mit Gitarrist Gerd Otto „Lupo“ Kühn.
Lupo: Weder noch.
Nein? Wer sind deine Hausheiligen?
Lupo: Hank Marvin und die Shadows.
Warum?
Lupo: Ich fand die Melodien bei den Shadows so schön und habe mir eine Gitarre gekauft, um die Stücke nachspielen zu können. Ich mochte auch die Spotnicks und Yardbirds. Das Faible für Melodien ist mir geblieben.
Hattet ihr eigentlich Kontakt zu Düsseldorfer Krautrock-Bands? Zu Kraftwerk und Neu! zum Beispiel?
Lupo: Nein, das war eine ganz andere Schiene. Eine andere Welt. Wir hatten mit Conny Plank zwar denselben Produzenten, aber er hat ja viele Bands betreut. Wir hatten Glück, mit diesem Soundgenie arbeiten zu können.
Eure Konzerte waren damals Happenings.
Lupo: Ja, Grobschnitt-Konzerte waren vierstündige Gesamtkunstwerke. Der größte Unterschied zu jetzt: Früher saßen die Leute auch, aber auf dem Fußboden. Heute sitzen sie auf Stühlen.
Ihr habt einiges aufgefahren.
Lupo: Grobschnitt war die erste Band überhaupt, die Pyrotechnik auf der Bühne eingesetzt hat. Seit 1971 haben wir alle Säle der Republik abgefackelt. Und es ist nie was passiert! Irgendwann sprach sich das mit der Pyro rum, und dann stand schon die Feuerwehr vor der Halle und sagte: Wir wollen mal wissen, ob sie heute Feuerwerk machen. Wir haben dann unsere Bengalhölzer und die Nebelmaschine vorgeführt, das war okay. Im Konzert mussten wir die Feuerwehr ablenken, weil wir natürlich auch große Fackeln einsetzten, um damit unsere meterhohen Feuerfontänen zu entzünden. Deshalb nebelten wir die Hallen komplett ein, bevor die Fackelträger auf die Bühne kamen. Das funktionierte gut, brachte uns aber auch Auftrittsverbote ein wie im Kölner Gürzenich und den Sartory-Sälen.
An welche Live-Geschichte erinnerst du dich am liebsten?
Lupo: Wir hatten einen Traum: einmal in der Düsseldorfer Philipshalle spielen. Und 1975 bekamen wir einen Anruf: Ob wir dort bei einem Festival mitmachen wollten. „2nd Pop-Meeting“ hieß das, und Nektar, Ginger Baker, Gentle Giant und Eloy waren auch dabei. Wir hatten eine eigene Beschallungsanlage, also ein PA, und unsere Bedingung war: Wir kommen, aber nur, wenn wir unser eigenes PA-System aufbauen dürfen, weil wir nicht über die brüllend laute Festival-Hörner-Anlage spielen wollten. Unser Soundsystem bestand aus einem Haufen Gesangsboxen, die wir übereinandergestapelt hatten, die aber wie eine Stereoanlage klangen. Es sah im Vergleich zu der Festival-Anlage lächerlich aus. Aber als wir anfingen, war es der Hammer, wir haben regelrecht abgeräumt. Winfried Trenkler vom WDR moderierte das Festival. Er war auch der Erste und Einzige, der im Radio „Solar Music“ live in kompletter Länge von 53 Minuten ohne Unterbrechung und Verkehrsdurchsagen gespielt hat. Heute unvorstellbar.
Stimmt es, dass die Polizei mal hinter euch her war?
Lupo: Öfters. Einmal auf einem Rastplatz kurz vor Stuttgart: Da haben wir in den Lauf einer Maschinenpistole geguckt. Wir haben gefragt, warum sie uns anhalten. Erste Antwort: Guckt mal in den Spiegel. Wir hatten ja Haare bis Gehtnichtmehr. Der zweite Grund: Wir hatten ein verhängnisvolles Automodell, einen Citroën DS23, mit dem auch die Leute von der RAF unterwegs gewesen sein sollen. Noch extremer war es in Zürich 1979. Wir sind mitten in der City auf dem Weg zur Halle und auf einmal: rechts und links, vorne und hinten Schweizer Polizei. Keine Fragen, alle aussteigen, ab in den Polizeiwagen und in die Wache. Da wurden wir zwei Stunden in Einzelzellen eingebunkert und von oben bis unten kontrolliert. Alles wegen der RAF. Zum Glück haben wir es dann noch pünktlich zum Soundcheck geschafft.
Im Savoy bringt ihr ein Akustikset. Wie klingen eure Stücke in abgespeckten Versionen?
Lupo: Wir spielen mit drei Akustikgitarren und setzen auch Percussion-Elemente ein. Unser Sänger und Gitarrist Willi Wildschwein und ich haben uns Ende 2016 getroffen und einfach mal akustisch zusammen gedudelt. Gemeinsam mit Willis Sohn Nuki haben wir versucht, unsere Klassiker auf Akustik neu zu arrangieren. Daran haben wir drei Jahre gesessen, das war unheimlich schwierig. Aber es hat Spaß gemacht. Deswegen haben wir gesagt: Lass uns live versuchen. Wir spielen drei Stunden, machen zwei Teile mit Pause in der Mitte, und wir spielen sogar Rock-Epen wie „Solar Music“ und „Rockpommel’s Land“ – und zwar in zum Teil über 30-minütigen Versionen.
Wie reagiert das Publikum?
Lupo: Die Konzerte sind Fan-Klassentreffen in familiärer Atmosphäre. Die Leute fliegen mit uns zusammen weg, kann man so sagen. Danach Pläuschchen, Zusammenstehen, Autogrammkarten. Das ist so schön, das kann man sich gar nicht vorstellen.